Throes Of Dawn - The Great Fleet Of Echoes

Throes Of Dawn - The Great Fleet Of Echoes
Dark Progressive Metal
erschienen am 12.03.2010 bei Firebox Records
dauert 54:16 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Entropy
2. Ignition of the Grey Sky
3. Velvet Chokehold
4. Soft Whispers of the Chemical Sun
5. Chloroform
6. Slow Motion
7. We Have Ways to Hurt You
8. Lethe
9. The Great Fleet of Echoes
10. Blue Dead Skies

Die Bloodchamber meint:

Es ist Anfang 2010 und im Hause Cavanagh erreicht die Aufregung ihren ebenso banalen wie vorläufigen Höhepunkt: Der seit Jahren geplante Umzug nach Finnland steht an, doch während Vincent auf der Suche nach der absolut perfekten Soundabstimmung für Livekonzerte wiederholt in Tränen ausbricht, weil man „eine engelsgleiche Stimme einfach nicht mit so vielen Nebengeräuschen belasten darf“, grummelt Danny in seiner fliederfarben ausgeplüschten Schmollecke leise vor sich hin. Ihm geht der schmalzgelockte Feingeist seines Bruders so langsam richtig auf die Ketten – er will Gitarren, verdammt noch mal, und so hallen hin und wieder ein paar trotzig hingeworfene Akkorde durch die Flure des Cavanagh'schen Anwesens, das in jüngerer Zeit nur noch wie die erkaltete Hülle einer längst ausgeflogenen Seele anmutete...

Schnitt nach Finnland. Hier, in Helsinki, schuften zur gleichen Zeit fünf musikalisch interessierte Jungs als Möbelpacker, um die Jugendstil-Kemenate am Stadtrand für die Ankunft der Kavanaaskööömii vorzubereiten. Sie haben nebenbei selbst seit einigen Jahren eine Band am Start und alles von ANATHEMA im Schrank, was aufgrund der finnischen Einfuhrbestimmungen leider nur die Alben bis „Judgement“ umfasst – Wowereit lässt aus Berlin telefonisch ein „Und das ist gut so!“ ausrichten. Aus einer Laune des Augenblicks heraus hat sich unser Fünfer für die von altem Glanze zehrenden Gäste etwas ganz Besonderes ausgedacht: Warum nicht eine Art Hommage zum Einzug, warum nicht einfach eine kleine Geste des Willkommens in musikalischer Form aufführen? - Und so spielten sie unter dem treffenden Titel „The Great Fleet Of Echoes“ ein Album ein, welches mitunter wie ein moderner Widerhall Cavanagh'scher Großtaten anmutet, den aktuellen Output der britischen Väter im Geiste jedoch auf weiten Strecken hinter sich lässt.

Schon der fast unanständig spannende Opener „Entropy“ entfaltet vor den Augen des Hörers ein Panorama, welches ANATHEMA zuletzt auf „Eternity“ in Töne fassen konnten: Hier paart sich schwebende Leichtigkeit mit einfühlsamen Gesangslinien, stehen synthetische Traumschleier gleichberechtigt neben schweren Akkorden im besten Tico Tico-Stil, und wenn am Ende kurz ein heiserer Schrei durch die Wolken bricht, dann geht im wahrsten Sinne des Wortes die Sonne auf.
„Ignition...“ nimmt sich der so entstandenen Wärme an und lockt den Hörer tiefer in lichtdurchflutete Schichten, Piano und Spinett umschmeicheln Anklänge einer Breitwandextase, bevor sich die Finnen im treffend betitelten „Velvet Chokehold“ schließlich in Richtung Kehle tasten: Hier wird es merklich aggressiver, der Gesang ist oftmals rau, die Gitarren braten, doch trotz gelungener Doublebass-Einlagen darf der finnisch-poppige Refrain schließlich alles in blankes Wohlgefühl auflösen. Bis hierhin eine wirklich grandiose Vorstellung, die mit dem leicht trippigen „Soft Whispers...“ einen entspannten Gegenpol zur Seite gestellt bekommt, der entfernt an die Drogenphase von TIAMAT erinnert.
Ebenfalls TIAMAT-affin und deutlich getragener präsentiert sich anschließend „Chloroform“. Das Piano setzt vor raspelnden Riffs erneut Akzente, unverzerrte Gitarrenstriche sorgen trotz des gemächlichen Tempos zusätzlich für Dramatik und nehmen den Reisenden so fast unmerklich mit hinüber zum gar nicht behäbigen „Slow Motion“ samt aufstrebendem Solo – Vincent weint noch immer und Danny dürfte für derartige Songs mittlerweile wahrscheinlich einen Arm herzugeben bereit sein. Dummerweise zeigen ihm auch „We Have Ways To Hurt You“ und das von sommerlicher Melancholie durchwehte „Lethe“ lediglich, wozu er nicht mehr fähig ist: Kompakte, emotional mitreißende und trotzdem nicht gekünstelt wirkende Songs zu schreiben nämlich.
Im bedrohlich anschwellenden und dann plötzlich kollabierenden Titeltrack ziehen THROES OF DAWN kurz vor dem Ziel noch einmal alle Register, bevor das verspielte „Blue Dead Sky“ den Hörer aus einer Welt entlässt, die selbigen nicht zum letzten Mal gesehen haben wird – dafür sind die hier verewigten Töne schlicht zu grandios, das Zusammenspiel der durch sie geweckten Emotionen zu vereinnahmend.

Selten war ein Fazit einfacher: THROES OF DAWN haben mit „The Great Fleet Of Echoes“ eine (zumindest meinerseits) unerwartete Großtat abgeliefert, die in Konzeption und Ausführung verdächtig oft an der Kategorie Meilenstein kratzt. Und auch wenn man die Vorbilder der Finnen zu jedem Zeitpunkt klar benennen kann, so fegt die schiere Klasse der Kompositionen jeglichen Gedanken an Epigonentum hinfort – hier wird mit einer fast schon greifbaren Passion versucht, Gefühlen und Eindrücken eine zeitlose, künstlerische (nicht künstliche!) Form zu geben, hier werden Stimmungen ausgekostet, wird das Auge auf Details gelenkt, nur um ihm im nächsten Augenblick mit einer einfach nur sprachlos machenden Aussicht Flügel zu verleihen.
Für Freunde der mittleren ANATHEMA-Alben ist diese Scheibe absolute Pflicht, aber auch PORCUPINE TREE und TIAMAT ab „Wildhoney“ sind gute Anhaltspunkte für potenzielle Entdecker. Ich wünsche eine gute Reise!

www.myspace.com/throesofdawn
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