Leichenwetter - Legende

Leichenwetter - Legende
Gothic Metal / Gothic Rock
erschienen am 15.10.2010 bei Echozone
dauert 54:58 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Anrede
2. Romanze zur Nacht
3. Erlkönig
4. Verklärung
5. Chor der Toten
6. Beschwörung
7. Abendlied
8. Out Of The Dark
9. O Schweig
10. Betörung
11. Schwanenlied
12. Herbstseele

Die Bloodchamber meint:

Wer in letzter Zeit durch das TV-Programm gezappt hat, dem wird eventuell in der ein oder anderen Doku aufgefallen sein, dass plötzlich irgendwelche Hip-Hopper sich an Kultur versuchen. Kultur in Form von Gedichten der großen Dichter und Denker Deutschlands, wie Goethe, Arndt, Heine oder Herder. Mal abgesehen davon, dass so manch geniale Zeilen in diesem lieblosen Stil, den Bach runtergehen bzw. überhaupt nicht zur Wirkung kommen, sei es mal dahingestellt, ob die Interpreten überhaupt wissen, über was sie da gerade rappen: “Geil Alder, da kommt ‘tot’ drin vor! Abgefahren. Das isch Herder, Alder! H-e-r-d-e-r! Kennste den?” - “Ja, seinen Bruder habsch mal geboxt un seine Schwester habsch mal geknallt!”.

Dass im Rock- und Metalbereich solche Texte gerne mal vertont werden, ist nicht neu. Meist gelingt dies sogar, weil die Bands sich mit den Texten identifizieren können bzw. wissen, wovon die Rede ist.
LEICHENWETTER haben es sich zur Aufgabe gemacht, Werke verstorbener deutscher Dichter in ein zeitgenössisches Gewand zu kleiden. Dunkler Metal mit elektronischen Elementen treffen auf Werke von Herder, Brentano und Co..
“Legende” ist, nach meinen Informationen, ihr mittlerweile viertes Full-Length-Album und auch diesmal widmen sie sich den großen Literaten.

Es ist meine erste wirkliche akustische Begegnung mit dem Iserlohner Quartett. Das ein oder andere Lied ist mir schon mal von ihnen zu Ohren gekommen, aber dies ist das erste komplette Album, was ich von ihnen zusammenhängend höre. Dabei fällt mir sofort der Wiedererkennungwert von LEICHENWETTER auf, was unter anderem auch an dem Lispeln von Sänger Numen liegt, das aber einen gewissen Charme in sich trägt.
Klar, Vergleiche zu RAMMSTEIN werden nicht zu vermeiden sein. Aber das wird wohl immer bei Bands, die sich der so genannten Neuen Deutschen Härte verschrieben haben, so sein. Ich will den Vergleich aber vermeiden, weil ich LEICHENWETTER eher dem Gothic Metal zuordne, der elektronische sowie auch klassische Elemente vorzuweisen hat.

Schon beim Beginn des Albums mit Stadlers “Anrede” bekommt man die Qualitäten von Sänger Numen zu spüren. Und ich spreche hier sehr gerne von ‘Sänger’, denn Numen vermischt aggressive Parts mit tenorartigem bis musicalhaftem Gesang, der auch (fast) immer passend ist.
Als ersten sehr positiven Ausflug für mich ist allerdings erst die “Romanze zur Nacht” von Georg Trakl, das wirklich sehr gefühlvoll vorgetragen wird und von permanenten Streichern sowie interessantem Riffing begleitet wird.
Wenn man Goethes “Erlkönig” zu vertonen versucht, kann das in die Hosen gehen. Muss es aber nicht. Der Beweis ist LEICHENWETTER. Kraftvoll nimmt sich der Erlkönig das Kind mit in sein Reich. Geil kommt hier, wie sich Numen sämtlichen Mitwirkenden dieses Gedichts annimmt, indem er jedem Charakter einen anderen Gesang gibt. Irgendwie abstrakt, aber sehr sehr cool.
Ebenfalls mit viel Gefühl dann das folgende “Verklärung” von Herder. Und die Geschwindigkeit nimmt beim “Chor der Toten” sogar zu.
Ach, jedes Lied hat hier seine Momente. Nicht alles ist durchgängig 100%ig gelungen, aber man muss nicht perfekt sein, um gute Musik zu machen.
LEICHENWETTER nehmen sich auch mal aktuelle Themen an, die eigentlich schon seit Jahrhunderten ein Problem darstellen. In “Beschwörung “ von Heinrich Heine klagen sie gleichzeitig die Kirche an, die die Misshandlungen von höheren Kirchenherren an vornehmlich Kindern, als halb so wild ansieht. So hört man neben dem (m.E. meisterhaften Gedichtes) auch Samples aus Nachrichtensendungen zu diesem Thema.
Zur Entspannung höre ich gerne das “Abendlied” von Ernst Moritz Arndt. Hier passt der Gesang ebenfalls perfekt zu Text und Musik. Geile Melodie mit sehr sehr viel Gefühl.

Von deplatziert möchte ich hier nicht reden. FALCO gehört sicherlich auch zu den Großen der Kulturszene und mit “Out Of The Dark” haben sich LEICHENWETTER auch ein tollen Song von Ihm ausgesucht. Hier hapert es für mich aber an der Umsetzung. Zumindest im Refrain. Hier klingt es, als ob RAMMSTEIN und ADORO zusammen eine Single aufgenommen haben. Klingt mir eindeutig zu übertrieben. Ist aber im Großen und Ganzen, der einzig wirkliche Negativpunkt an diesem Album.

LEICHENWETTER sind garantiert nicht jedermanns Welt. Viele werden es zu kitschig finden. Ich hingegen, mag diese Scheibe. Etwas druckvoller hätte die Produktion ruhig ausfallen können. Ansonsten hab ich nicht viel auszusetzen. Wird bei mir bestimmt öfter mal laufen.
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