Kamelot - Haven

Kamelot - Haven
Symphonic Power Metal
erschienen am 08.05.2015 bei Napalm Records
dauert 53:50 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Fallen Star
2. Insomnia
3. Citizen Zero
4. Veil Of Elysium
5. Under Grey Skies
6. My Therapy
7. Ecclesia
8. End Of Innocence
9. Beautiful Apocalypse
10. Liar Liar (Wasteland Monarchy)
11. Here's To The Fall
12. Revolution
13. Haven

Die Bloodchamber meint:

Auf KAMELOT war stets Verlass. Auch wenn sie sich vom klassischen Power Metal über die vielen Jahre immer weiter wegentwickelt haben, waren selbst vermeintlich schwächere Alben wie „Ghost Opera“ doch noch immer von einer Klasse, die viele andere Bands nie erreichen. Doch mit dem plötzlichen Wegfall der einzigartigen Stimme Roy Khans, der fast fünfzehn Jahre lang das Mikro für die US-Amerikaner schwang, aus gesundheitlichen Gründen die Fronter-Fackel aber weitergeben musste, hatte ich persönlich ja die Befürchtung, dass KAMELOT in eine Krise schlittern könnten. Doch mit Tommy Karevik hat man einen Ersatz gefunden, der an das hohe Niveau Khans durchaus herankommt, auch wenn er ein etwas gewöhnlicheres Organ hat. Gemeinsam mit Karevik spielte man 2012 das Album „Silverthorn“ ein, das zu den ganz großen Glanztaten der Band zwar nicht aufschließen konnte, die Fans aber grundsätzlich zufrieden gestimmt haben dürfte.

Knapp drei Jahre später liegt nun dessen nicht unbedingt programmatisch betitelter Nachfolger „Haven“ vor, denn obwohl auch dieses Werk natürlich mit den gewohnten Band-Trademarks aufwartet, bewegen KAMELOT sich hier nicht ausschließlich in sicherem Fahrwasser, sondern klingen bisweilen moderner denn je zuvor. An den Anfang des Albums jedoch hat man erst einmal die Songs mit offensichtlichem Hitpotential gestellt: Ob der Opener „Fallen Star“, das folgende mit hypnotischem Streicher-Arrangement versehene „Insomnia“ oder die Uptempo-Nummer „Veil Of Elysium“ - die Refrains setzen sich schon nach Erstkontakt in den Gehörgängen fest und sind dort nur schwer wieder herauszubekommen. Lediglich der Stampfer "Citizen Zero" schmiegt sich weniger an den Hörer an, sondern greift schon voraus auf die dunkle zweite Albumhälfte. Die obligatorische Ballade mit dem obligatorischen weiblichen Gastbeitrag – DELAIN-Sängerin Charlotte Wessels – kann zwar trotz des anfänglichen Ausflugs nach Mittelerde nur bedingt überzeugen, liefert aber die lyrische Steilvorlage für die zweite Hälfte des Albums: don’t you know that every cloud has a silver lining? Schon der Titel „Under Grey Skies“ kündigt es an, und mit fortlaufender Dauer scheint sich der sichere „Haven“ immer weiter vom Hörer zu entfernen. Es wird düsterer und düsterer, zu keinem Zeitpunkt jedoch wird der melodische Silberstreif am Horizont vernachlässigt.

Auf den nicht ganz so starken Mittelteil folgt mit dem (vielleicht nur heimlich) größten Hit des Albums „Beautiful Apocalypse“ und dem nach BLIND GUARDIAN’s „Mirror Mirror“-Machart nachempfundenen „Liar Liar (Wasteland Monarchy)“ ein außerordentlich starkes Songdoppel. Gerade letzterer Song weiß mit seinem erhöhten Tempo und dem Gastbeitrag von ARCH ENEMY-Röhre Alissa White-Gluz nachhaltig zu begeistern, auch wenn das BLIND GUARDIAN-Pendant nicht annähernd so finster daherkommt. Die Ballade „Here’s To The Fall“ geht zwar in Ordnung, ist aber wiederum eher vernachlässigbar und kann mit dem (modernen) Höhepunkt des Album nicht ansatzweise Schritt halten: fast schon eine musikalische „Revolution“ zetteln KAMELOT mit eben jenem Track und dessen stoisch hämmernder Bassdrum an, im Mittelteil erschafft man dank Doublebass-Feuer und erneuter Einbindung von White-Gluz‘ Shouts eine solche Finsternis, dass man sich auch dank der symphonisch aufgeplusterten Arrangements schon fast an DIMMU BORGIR erinnert fühlen mag.

Doch wie bereits angesprochen, hat der „Haven“ natürlich auch viele lichte Momente parat. Fans können deswegen wie immer bedenkenlos zugreifen, auf KAMELOT ist nämlich auch anno 2015 Verlass. Der schon auf den Vorgängern entwickelte Hang zur Düsternis ist auf dem neuen Album noch stärker ausgeprägt, stellt aber nur eine Facette dar im Klangkosmos der Band – angeproggte Gitarrenriffs, geschmackvolle Symphonik und eine beeindruckende Stimme dominieren auch das Bild auf „Haven“. Die bandeigenen Diskografie-Highlights übertrumpft man zwar nicht, etwas stärker als auf dem Karevik-Einstand „Silverthorn“ präsentieren sich KAMELOT aber schon. Und mit dem kompositorischen Geschick eines Thomas Youngblood können sich sowieso nur wenige Bands aus diesem Metier messen...
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