Klare Worte von Angela Gossow


Interview mit Arch Enemy
Melodic Death Metal aus Schweden - Halmstad
Hallo Angela !
Eigentlich sollte dieses Interview ja bereits vor eurem Konzert in Köln stattfinden, aber ein Stau auf der A1 hat mich leider an einem pünktlichen Eintreffen gehindert. Daher jetzt meine Fragen auf diesem Wege.


Auf eurer Europatour wurdet ihr von Trivium begleitet. Ursprünglich standen auch noch Dark Tranquillity auf dem Billing, allerdings sprang die Band relativ kurz vor Tourstart ab und spielt statt dessen Ende des Jahres eine eigene Headlinertour in Deutschland. Über die Gründe hat man nicht viel vernehmen können, weißt Du etwas darüber?


Die offizielle Begründung der Band war, dass der Drummer von seiner Firma keinen Urlaub für diesen Zeitraum genehmigt bekommen hatte, aufgrund interner Firmenumstrukturierungen. Nun ja ...

Als Ersatz für die Schweden spielte in Köln die recht unbekannte Truppe World Downfall. Ich nehme aber mal an daß diese Jungs euch nicht während der ganzen Tour begleitet haben. Konntet ihr nicht mehr rechtzeitig einen „gleichwertigen Ersatz“ organisieren?

World Downfall sind meine alten Kumpels und haben uns nur in Deutschland begleitet. Wir haben die 2 Wochen vor der Tour fieberhaft versucht, einen Ersatz zu finden und unter anderem mit Naglfar, Samael und sämtlichen Century Media / Nuclear Blast / Moonfog Bands gesprochen. Keine dieser Bands hätte Toursupport von ihrem Label erhalten und konnte es somit nicht machen. Die Zeiten sind hart und die Labels streichen die Gelder. Echt schade ! Die Tour war sehr gut besucht und hätte jeder Support Band neue Fans gebracht. Zum Glück hatten wir Trivium, die Jungs machen echt Spaß live !

Laß uns kurz über das Konzert sprechen. Ihr wart wirklich großartig und habt mich komplett weggeblasen, aber eure Spielzeit fand ich mit so gerade mal 70 Minuten (inklusive Zugabepause, Drumsolo etc.) ganz schön knapp bemessen. Gerade in Anbetracht der Dark Tranquillity Absage.

Hm. Laut meiner Uhr haben wir 85 Minuten gespielt. Trivium waren 45 Minuten auf der Bühne. World Downfall 30 Minuten. Die Leute sahen am Ende unseres Sets zufrieden aus und ausgelaugt.

Eure Setlist war ja gut gemischt, der Schwerpunkt lag aber doch auf den drei Alben, die mit Dir eingespielt wurden. Verzichtet ihr bewußt auf älteres Material, weil die Band damals noch nicht sooo erfolgreich war ?

Kein Schwein (na ja, vielleicht ein paar) kennt die alten Songs ! Soviel zu den Old-School-Johan-Era Fans. Klar, wir konzentrieren uns auf unsere Hits, und die sind nun mal auf den letzten 3 Alben zu finden.

Kommen wir mal zum aktuellen Band Line Up. Wie wir ja alles wissen, hat euch Christopher Amott wegen seines Studiums verlassen, was sicherlich ein schwerer Verlust war. Wie groß sind die Chancen, daß er wieder zu euch zurückkehrt ?

Wir wollen ihn gar nicht mehr zurück. Seitdem er aus der Band raus ist, ist die Stimmung extrem positiv. Fredrik, unser neuer Gitarist ist voller Enthusiasmus. Wogegen Chris oft deprimiert war und nur nach Hause wollte.

Euer neuer Gitarrist ist Fredrik Åkesson, der sich bei dem Live Gig merklich im Hintergrund hielt, aber technisch einwandfrei überzeugte. Kannst Du ein bißchen was über ihn erzählen ? Wird er ein vollwertiges Mitglied von ARCH ENEMY werden ?

Du findest alle Infos über Ihn auf unserer Website. Er hat in der 80er Metal Band Talisman gespielt und war in einige Projekte (u.a. Krux) mit Leif (Candlemass) involviert. Er hat oft als Session-Musiker gearbeitet. Wir sind sehr glücklich mit Ihm. Er ist ruhig und energetisch gleichzeitig und fügt sich nahtlos ein. Er ist ein exzellenter Gitarrist und bringt frischen Wind in die Band.

Wenden wir uns ein wenig dem neuen Album „Doomsday Machine“ zu. Das Teil ist ein absoluter Killer und wurde von mir mit völlig verdienten 9/10 Punkten bewertet. Wo siehst Du die Unterschiede zu dem kaum schlechteren Vorgänger „Anthems Of Rebellion“ ?

„Doomsday Machine“ ist organischer und vielfältiger. Wir sind mit einem Haufen Material ins Studio gegangen und haben viel rumexperimentiert. Diesen Freiraum hatten wir für AOR nicht, da wir damals extrem unter Zeitdruck gestanden haben. Wir sind aber schon wieder einen Schritt weiter und haben 3 neue Songs als Demo aufgenommen.

Der Song „I Am Legend / Out For Blood” erinnert am Anfang an ein altes Iron Maiden Instrumental, während „Hybrids Of Steel“ ein bißchen was von Dream Theater hat. Und die Lyrics von „Nemesis“ („All For One, One For All …“) könnten glatt von Manowar stammen. Kann man sagen, daß ihr euch stilistisch mehr denn je anderen Strömungen geöffnet habt ?

Ja, natürlich. Wir machen alle seit gut 15 Jahren Musik, da erlebt man viel und hört viele verschiedene Alben aus unterschiedlichen Musikrichtungen. Wir haben einen unerschöpflichen Fundus an Einflüssen, aus denen wir schöpfen können. Das hebt uns natürlich von den jungen Bands ab.

Mit „Machtkampf“ habt ihr einen Song mit einem deutschen Titel an Bord, der allerdings einen englischen Text hat. Gibt es Überlegungen, tatsächlich irgendwann mal ein komplett deutsches Stück aufzunehmen?

Ja, ich hätte daran Spaß. Ich ignoriere meine Muttersprache im Moment sehr, bin kaum zu Hause und spreche entweder Englisch oder Schwedisch. Mir fehlt das Deutsche ein bisschen.

Trotz der Klasse von „Doomsday Machine“ hatte ich das Gefühl, daß das Album gegen Ende etwas schwächer wird. Zumindest „Mechanic God Creation“ hat bei mir überhaupt nicht gezündet. Siehst Du das ähnlich, bzw. hab ihr mit Absicht die richtig geilen Songs an den Anfang der Platte gestellt ?

Nein. „Mechanic God Creation“ ist einer meiner Lieblings-Songs und wir haben viel positives Feedback zu diesem Song bekommen – inklusive Überlegungen, dazu ein Video zu drehen.

Als nächstes möchte ich Dich mit ein paar „Vorwürfen“ bzw. Kritik konfrontieren, die ich auf unserer Homepage bezüglich ARCH ENEMY häufiger gehört habe.

Es gibt Leute, denen „Doomsday Machine“ nicht so gut gefällt, da ihr insgesamt etwas langsamer geworden seid und der Groove eine größere Rolle spielt. Man redet gar von der berühmten „angezogenen Handbremse“.


Wir schreiben die Musik, auf die wir gerade Lust haben. Songs schreiben ist ein organischer Prozess, während dessen wir unser Gehirn auf „Emotionalität" umschalten und nicht mehr rational denken. Es gibt offensichtlich genügend Fans, denen unsere Songs gefallen, so wie sie sind. Wenn du Gebolze haben willst – die Auswahl ist groß. Speziell der geklaute „At The Gates“ Sound ist ja sehr in. Nur Speed ist extrem langweilig.

Einige Leser haben sich über Effekte beschwert, die angeblich über Deine Stimme gelegt wurden. Eine Art Vocal Verzerrer. Was sagst Du dazu ?

Nein, eigentlich ist es Jeff Walker, der für mich einsingt und live hinterm Vorhang steht. Habe ich auch schon gehört. Ernsthaft. Wenn denen meine Stimme nicht gefällt, ist das nicht mein Problem. Jedes Mikro verzerrt, wenn man nur laut genug reinbrüllt. Ich brülle sehr laut. Ansonsten mag ich Effekte, die man auch als Effekt einsetzt. Dafür sind sie da. Das unterscheidet Studio von Live. Im Studio kann man rumspielen, live klingt dann alles viel roher.

Die ganz großen Zyniker reden bei ARCH ENEMY oft vom berüchtigten „Girlie Death“, dazu fallen Worte wie „Ausverkauf“ und „Kommerz“. Dies hängt oft immer direkt mit Deinem Einstieg zusammen. Man behauptet, daß die Band ohne Dich niemals diese Bekanntheit erreicht hätte. Was kann man solchen Leuten entgegensetzen ?

Nun, es gibt ne ganze Menge Metal-Bands, die Frauen am Mikro haben. Sinister. Enter Chaos. Immemorial. Die sind alle nicht mal halb so erfolgreich wie ARCH ENEMY. Wenn oben genannte Theorie stimmen würde, müssten diese Bands doch genauso einschlagen wie wir. Das „Frauending" funktioniert aber nicht. ARCH ENEMY ist qualitativ an der Spitze des Metals. Musikalisch, optisch. Alles stimmt. Die vielen Jahre Erfahrung und Livespielen zahlen sich jetzt aus. Je erfolgreicher eine Band wird, umso mehr Neider zieht sie an. Leute, die von diesem „Frauenbonus" schwafeln, gehören ganz klar in diese Kategorie und haben keine Ahnung, wovon sie eigentlich reden. Go, get a life and get off my ass. Diese Bezeichnung ist mir übrigens neu, hat mir noch nie jemand gesagt, der uns live gesehen hat. Ich denke, ich habe mehr „Balls“ als diese ganzen Idioten zusammen. Wenn einer ein Problem mit mir hat, soll er sich es doch mal wagen, mir das ins Gesicht zu sagen. Im Internet sind sie alle mutig.

Genug der Kritik, kommen wir zum Abschluß noch zu ein paar allgemeineren Fragen :

Diese Frage habe ich bereits Sabina Classen gestellt, da sie ja so ziemlich die einzige andere Frontfrau einer größeren, extremen Metal Band ist : was hältst Du persönlich von dem ganzen Female Fronted Metal Trend, der in der letzten Zeit ja Überhand genommen hat ? Das Rezept scheint einfach zu sein : eine nett aussehende Dame, die süß ins Mikro säuselt, und der Erfolg scheint programmiert (siehe Within Temptation, Nightwish, Xandria, Evanescence usw.).


Dort scheidet sich auch die Klasse von der Masse. Nightwish, Within Temptation und Evanescence sind erfolgreich, weil sie Qualität liefern. Es gibt daneben dann ganz viele Gothic Bands, die es NICHT an die Spitze schaffen – einfach, weil die Songs scheiße sind. Da hilft halt auch kein hübsches Gesicht.

Ihr habt mittlerweile auch außerhalb Europas mächtig Erfolg. Nicht nur in Japan, auch in den USA, wo ihr z.B. schon mit Slayer und Hatebreed auf Tour wart, nimmt man verstärkt von euch Notiz. Welcher Markt ist – rein kommerziell betrachtet – der wichtigste für euch ?

Weltweit. Wir sind im Moment auf Tour, 2,5 Monate lang: Europa, Japan, Australien, Amerika. Danach geht’s im Februar 2006 wieder von vorne los, mit stärkerer Gewichtung auf Europa.

Ein kleiner Ausblick in die Zukunft : was können wir von euch in nächster Zeit erwarten ? Ist ein weiteres Album schon in Planung ? Wann kommt eine DVD ? Und werdet ihr nächstes Jahr ein paar deutsche Festivals besuchen ?

Nächstes Jahr werden wir nicht das Ozzfest spielen, sondern in Europa die Festivals abgrasen. Wir haben das Songwriting für ein neues Album begonnen, welches wir Ende 2006 aufzunehmen planen. Wir werden nächstes Jahr eine DVD veröffentlichen und im Spätsommer/Herbst eine EP. Stillstand ist der Tod des Erfolgs. Deshalb arbeiten wir uns den Arsch ab.

Das soll es jetzt auch gewesen sein. Danke für Deine Zeit und das kleine Interview. Die sogenannten „letzten Worte“ gehören Dir :

Ich habe mich sehr über die starken Besucherzahlen unserer Shows in Deutschland gefreut ! Das bedeutet mir mehr, als ich in Worte packen kann. Diese Fans – das sind die Menschen, deren Meinung mir etwas bedeutet. Die vor mir stehen, und mir ins Gesicht schauen. Und ich sehe sehr viel Liebe und Anerkennung. Ich interessiere mich nicht für die Schlechtreder und Neider. Das Leben ist schon anstrengend genug. Ich denke, diese Gesellschaft muss wieder lernen, Menschen zu motivieren – anstatt nur rumzumäkeln. Kunst ist subjektiv. I am not here to please everybody. Seid nett zueinander und verwandelt diese Erde wieder in einen freundlicheren Ort !

Angela
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