Der Suchende und das Schwert


Interview mit Falkenbach
Folk Pagan Metal aus Deutschland - Düsseldorf
"Heralding- The Fireblade" kann man ohne Bedenken zu den grossen Momenten im folkbeeinflussten Black Metal zählen, dem durch diverse Spasstruppen und Problemkinder im rechten Mittelfeld allmählich die Ernsthaftigkeit und Majestät abhanden zu kommen droht. Insofern sollen im folgenden Schriftwechsel sowohl das Album selbst als auch sein Schöpfer Vratyas Vakyas etwas näher beleuchtet werden - machen wir uns also auf den Weg...

Hallo Vratyas und danke dass du dir die Zeit für ein paar Fragen nimmst – du scheinst ja eigentlich ein eher scheuer Zeitgenosse zu sein. Wie kommt das?


Es gibt wohl mehrere Gründe dafür, dass mich die Mehrzahl der Menschen als eher zurückgezogen oder sogar scheu einstufen. Die Tatsache, dass es ich Vergleich zu anderen Bands relativ wenige Interviews gebe, der Umstand dass es kaum Photos gibt etc.
Alles in allem aber gibt es hierfür zwei Gründe: Zum einen sehe ich mich als Menschen hinter der Musik, und möchte versuchen dies auch so zu belassen, sprich mich nicht durch unzählige Photos, persönliche Aussagen usw. in den Vordergrund zu stellen. Die Aussagen Falkenbachs sind bedeutender als persönliche Dinge über mich in meinen Augen, und am allgemeinen Personenkult teilzunehmen würde lediglich bedeuten, von den entscheidenden Dingen abzulenken. Zum anderen bin ich ohnehin kein Mensch der gern im Mittelpunkt steht.

Mit „Heralder“ hast du nun in meinen Augen dein bisher stärkstes Werk abgeliefert. Wie kam es, dass derartige Perlen ihr Dasein bisher im Schatten oder auf semi-öffentlichen Demos fristeten?

Das komplette Album sollte bereits vor dem eigentlichen Debut aufgenommen werden, wobei die Aufnahmen allerdings leider vorzeitig abgebrochen werden mussten. Im Grunde wären all diese Lieder zu jeder Zeit für eine Veröffentlichung bereit gewesen, nur hätte man sie komplett neu aufnehmen müssen, wie nun geschehen.
Dies sieht man daran, dass das eine oder andere Stück auch seinen Weg auf die folgenden Veröffentlichungen geschafft hat, wenn auch in mehr oder minder veränderter Version. Die anderen Stücke waren allerdings komplett unveröffentlicht bis jetzt.
Das Album lag mir sehr am Herzen, und als das 15-jährige Bestehen Falkenbachs 2004 anstand kam mir die Idee dieses Album neu aufzunehmen, da eine Reihe von Leuten immer wieder danach fragte. Leider verzögerte sich die gesamte Aktion, und das Album konnte erst 2005 veröffentlicht werden.

„Heathen Foray“ und „Laeknishendr“ liegen auf besagter Scheibe in überarbeiteter, teils erweiterter Form vor – inwieweit sahst du bei diesen Songs (und auch den anderen, ebenfalls betagten) denn Verbesserungsbedarf?

Nun, die Stücke sind exakt so aufgenommen, wie sie damals geplant waren. Die überarbeiteten Versionen sind also jene, die bereits vorher auf den verschiedenen Alben erschienen, nicht jene auf dem „Heralding – The Fireblade“ Album. Eine Ausnahme bildet hier die Arbeit der akustischen Gitarren, die durch Hagalaz als Gastmusiker deutlich detaillierter und feiner wurden.

Gerade die neuen Versionen lassen ja darauf schliessen, dass dich gelegentlich ein gewisser Drang zum Perfektionismus überkommt - Hörst du dir deine Platten eigentlich von Zeit zu Zeit an? Und was denkst du dann als Musiker aus heutiger Sicht?

Ja, ich höre Falkenbach ehrlich gesagt sogar ständig, es gibt keine Musik die auch nur annähernd so häufig über meine Kopfhörer läuft wie diese, wobei ich hier auch ältere Demolieder dazuzähle. Für mich spiegeln alte Lieder natürlich auch die Zeit wider, in der sie entstanden, und ich habe zu jedem einzelnen Lied einen sehr persönlichen Bezug.
Die eine oder andere Version würde ich heute zwar anders ausnehmen, aber andererseits, hätte ich die Gelegenheit ein Stück sozusagen rückwirkend auf dem besagten Album zu ändern, würde ich dies nicht tun.

Das in meinen Ohren Auffälligste auf „Heralder“ sind die überaus gelungenen Keyboard-Arrangements, die zum Einen wieder etwas zurückhaltender ausfallen, dafür aber pointierter und vielseitiger als auf den letzten beiden Platten daherkommen. Inwiefern spielte da die Zeit (die du ja hattest) eine Rolle?

Wie gesagt, die Stücke sind zum allergrößten Teil so aufgenommen worden, wie sie auch schon damals arrangiert wurden. Bei den akustischen Gitarren, teilweise auch bei den Keyboards, gibt es natürlich Abweichungen, allein durch die Tatsache dass die Sounds heute deutlich ausgereifter und vielfältiger klingen als vor 10 Jahren.

Insgesamt wirken die Songs verschlankt, nicht mehr so flächig wie auf „Magni...“ oder „Ok...“, was neben der bereits angemerkten Vielseitigkeit im Keyboardbereich auch daran liegen mag, dass du dich wieder in schnellere Regionen begibst (bzw. damals begeben hast). Wie kommt es, dass dein neueres Material fast durchweg eher getragen ausfällt? Sind denn für kommende Scheiben auch wieder treibende Songs geplant oder wie sieht es diesbezüglich mit deinem inneren Quell aus?

Das kann ich ganz ehrlich nicht beantworten. Die Stücke entstehen, und es gibt vorher keinen Plan, an den ich mich halten würde.
Wenn ein Lied entsteht, dann versuche ich an der ursprünglichen Idee so wenig wie möglich zu ändern, und das Lied somit sehr rein und pur zu belassen. Ob es sich um schnellere oder langsamere, getragene oder mehr Folk-inspirierte Teile handelt hängt von Dingen ab, die ich nicht beeinflusse, da ich sie nicht beeinflussen kann. Würde ich dies versuchen, würde die Musik höchstwahrscheinlich vollkommen anders klingen.
Momentan stehen noch keine Lieder für eine mögliche weitere Veröffentlichung fest, daher kann ich dazu nichts sagen.

Bei dieser Gelegenheit – und weil gerade der Titeltrack läuft – fällt auch die Violine auf, die wie die akkustische Gitarre („Havamal“) oder kurze Bläsersounds („Skirnir“) eher spärlich, aber dafür sehr ergreifend in Szene gesetzt wird. Könntest du dir vorstellen, in Zukunft mehr mit Originalinstrumenten zu arbeiten bzw. warum hast du es bisher noch nicht gemacht?

Dazu fehlen mir schlicht die nötigen Musiker, respektive das passende Budget. Instrumente als Samples über Keyboard einzuspielen ist extrem weniger zeitaufwändig, als diese einspielen zu lassen.

Und wie kommen deiner Ansicht nach das Konzept Falkenbachs und die Verwendung von Keyboards allgemein zueinander? Mag anmassend klingen, aber manche Passagen könnte ich mir durchaus gut mit einem dicken Chor vorstellen...

Ein Chor ist ebenso eine Frage des Budgets wie es bei Originalinstrumenten der Fall ist. Ich muss allerdings auch anfügen, dass mir der Gedanke, Falkenbach derart aufzublähen, eher fremd ist. Je mehr Musiker involviert sind, desto geringer wird der direkte Einfluss, je mehr besteht die Gefahr, dass Dinge in eine Richtung laufen, die nicht mehr dem Grundgedanken entsprechen.
Die Allgemeinheit mag solche Dinge letztlich vielleicht nicht bemerken, vielleicht sogar würde man solch orchestrale Elemente sogar befürworten, aber letztlich muss ich mit dem Resultat leben, sonst niemand, und daher sind kommerzielle Dinge nur Randaspekte, und mehr sind solche Ideen letztlich nicht für mich zur Zeit.
Vielleicht wird es einmal ein Lied geben, welches einen echten Chor einfach braucht, dann sähe die Sache natürlich anders aus.

Eine letzte Frage zu diesem Thema betrifft das Schlagwerk – gab es da angesichts der menschlichen Unterstützung Veränderungen zum Originalsound und wenn ja, welche? Wird sich das auf zukünftigen Scheiben fortsetzen?

Das Schlagzeug unterscheidet sich durch Boltthorns Arbeit natürlich deutlich von der vorher angedachten Drumcomputer Planung, Es gibt mehr Feinheiten, Fill-Ins, wobei aber die Grundrhythmik beibehalten wurde.
Für die Zukunft hoffe ich natürlich darauf, dass Hagalaz, Boltthorn und Tyrann weiterhin Falkenbach im Studio aushelfen werden.

Lyrisch bist du ja seit jeher in der Schnittmenge zwischen eddischen Stoffen und Geschichten aus der Zeit der Christianisierung unterwegs – woher rührt dein Interesse für diese Thematik?

Es ist ein Teil meiner Geschichte, sowohl was Historie angeht, als auch privat gesehen. Von daher liegt es nahe, dass es kein anderes Themengebiet geben kann, welches für Falkenbach in Frage käme.

„Heralding“hat erstmals einen englischen Albumtitel – sind dir die altisländischen Zitate ausgegangen? Messe ich dem zuviel Bedeutung bei?

Schwierig zu sagen ob jemand dem zu viel Bedeutung beimisst oder nicht.
Da das Album nie veröffentlicht wurde, bestand auch nie ein Grund, einen Titel dafür zu finden, weshalb es beim vorläufigen Arbeitstitel „The Fireblade“ blieb. Da ich im Laufe der Jahre immer wieder diesen Titel erwähnte, wenn ich von diesem unveröffentlichten Album in Interviews sprach, hat es sich wohl dadurch festgesetzt.
Letztlich wollte ich durch den Titel allein deutlich machen, welches Album zu erwarten ist, und daher wurde „The Fireblade“ auch eingebaut. Ein vollkommen anderer Titel wäre mir nach über 10 Jahren auch selbst fremd gewesen. Zudem trägt eine Reihe der älteren Demos englische, deutsche usw. Titel.

Gibt es gewisse Kriterien, die ein Text oder eine Geschichte (im Original) erfüllen müssen, um als Lied verarbeitet zu werden? Wonach wählst du das aus?

Es ist wie bei der Musik, es gibt keine Vorgaben, keinen Plan. Die Dinge entstehen aus sich selbst heraus, sie fließen sozusagen. Es ist schwierig zu beschreiben, jeder Versuch scheitert zwangsläufig.
Letztlich läuft es auf das philosophische Thema „Inspiration“ hinaus, und eine Antwort auf eine der ältesten Fragen der Menschheit werde ich wohl nicht geben können.

In deinen Augen: Welchen Stellenwert haben die Themen deiner Songs denn heute – sei es, für dich oder auch in der Welt, die dich umgibt?

Für mich sind sie ein Teil meines Lebens, und ein Teil der Welt. Welchen Stellenwert sie für andere Menschen haben kann nur jeder Mensch für sich selbst beantworten.

In diesem Zusammenhang soll auch Asatru erwähnt werden, welches für dich ja zumindest teilweise von Belang zu sein scheint. Ist es für dich eher eine Naturreligion oder auch esoterisch-mystische Philosophie mit aktuellen Bezügen (also eine Art 'Pfad des Erkenntnisgewinns')?

Das ganze Leben ist ein Suchen nach Erkenntnis, bewusst oder unbewusst, auf jedem erdenklichen Niveau. Asatru ist für mich ein Teil dessen, ein Teil des Suchens, und ein Teil des Gefundenen, wobei zu Suchendes bleibt was es ist bis es gefunden wurde, dann verändert es sich und bringt neue, zu suchende Dinge mit sich.

Diese Form des Glaubens bzw. der Lebensführung gilt ja dem Laien als eher skeptisch gegenüber den (technischen) Errungenschaften der Moderne – wie weit kann man das denn ausleben und wie versuchst du selbst, nach diesen Empfehlungen zu leben?

Viele Menschen scheinen sich einerseits nie zu fragen, wie der Papst trotz Internet und Satellitenfernsehen auch weiterhin existieren kann, stehen andererseits aber manchen Dingen, wie von Dir angesprochen, skeptisch gegenüber.
Dies mag zu großen Teilen an vollkommen falschen Ansichten liegen. Eine Religion, oder wie man es auch immer nennen mag, ist zeitlich nicht gebunden. Einerseits gibt es den kulturellen Aspekt, z.B. Waffen nachbauen, alte Rituale nachleben usw. Dies sind aber, wie gesagt, kulturelle Dinge. Religiöse Aspekte bedürfen keiner besonderen Umstände, Umgebungen usw.

Ausleben ist ein gutes Stichwort, um zurück zum Musikalischen zu gelangen – du hast ja mit Boltthorn, Hagalaz and Tyrann mittlerweile ein paar Mannen an deiner Seite, die neben erfrischender Studioarbeit durchaus auch auf der Bühne agieren könnten...

Zur Zeit gibt es die Idee vielleicht 1-2 kleine Konzerte zu spielen. Wann und wo dies sein wird, und ob es letztlich überhaupt zu realisieren sein wird, kann ich momentan nicht sagen. Vielleicht wird es darüber hinaus auch weitere Konzerte geben, eine Tour, vielleicht ein Festival, aber ehrlich gesagt sind solche Dinge unwahrscheinlich.
Sobald es etwas zum Thema Falkenbach live zu berichten gibt, wird man es auf www.Falkenbach.de finden. Bis dahin sind alle Ankündigungen oder Gerüchte nur Schall und Rauch.

Was hat es eigentlich mit dem mittlerweile erhältlichen Tribut-Doppelalbum auf sich – woher kam die Initiative, wer hat die Bands ausgewählt und: bist du denn ein bisschen stolz und zufrieden?

Die Idee dazu hatte der ehemalige Falkenbach & Skaldic Art Webmaster Semivivus. Die Bands haben sich im Laufe einiger Jahre von selbst gemeldet, die Auswahl haben Semivivus und ich getroffen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem er sich aus persönlichen Gründen von den Homepages, und kurz darauf auch von den Arbeiten für das Tribute Album verabschieden musste.
Daraufhin gab es nur noch die Wahl, das Album nach Jahren der Arbeit kurz vor dem Ende sterben zu lassen oder es selbst zu veröffentlichen, was mittlerweile auch geschehen ist. Ein Blick auf www.Falkenbach.de genügt, um weitere Details zu finden.

Dein Label Scaldic Art liegt letzten Infos zufolge derzeit auf Eis. Hattest du mit dem Stress gerechnet, den ein Label so mit sich bringt? Und wovon hängt es denn primär ab, ob es reanimiert wird?

Die fehlende Zeit war der eigentliche Grund dafür Skaldic Art auf Eis zu legen. Vielleicht wird früher oder später ein neuer Anfang gemacht, zur Zeit sieht es aber nicht danach aus.

Ok, ich danke dir für Zeit und Aufwand und hoffe inständig, dass ich „Heralder“ und andere Songs demnächst mal aus grossen Boxen vernehmen darf, die nicht bei mir zu Hause oder in einem Metalclub stehen – die letzten Worte gehören dir:

Dank für die Unterstützung!
www.Falkenbach.de
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