Der wahre Meister


Interview mit Master
Death Metal aus USA - Chicago, Illinois; heute: Moravia, Tschechische Republik
Wir sprachen mit dem Bandleader Paul Speckmann im Vorfeld des Auftritts von Master in der nächsten Scheddelveranstaltung in der Theaterfabrik:

Hallo Paul, wie geht es dir? Meine erste Frage ist ganz profan. Wie hast du Weihnachten und Silvester gefeiert?


Weihnachten verbrachte ich dieses Jahr bei meien Schwiegereltern, weil wir unser eigenes Haus zur Zeit renovieren. Im Moment befindet sich die Küche in meinem Büro, so ist es jetzt ziemlich schwierig etwas abschließendes zu sagen. Aber wir hatten dort auch eine wunderbare Zeit und futterten das traditionelle tschechische Festessen mit Karpfen, Kartoffelsalat und Tonnen von Keksen. Ich bin wirklich zu einem fetten Schwein geworden und freue mich deshalb darauf, endlich auf Tour zu gehen, um die angehäuften Kalorien zu verbrennen. Was den Rest unserer Band angeht, nun ja, wir kommunizieren nicht all zu oft, außer es ist eine gute Zeit um ein Album aufzunehmen oder auf Tour zu gehen. Unsere Privatleben sind wirklich von unserem Bandleben scharf abgetrennt.
An Silvester waren wir ebenfalls im Haus meiner Schwiegereltern, kamen so ungefähr um acht Uhr abends an und guckten Fernsehen bis zur absoluten Ermüdung im neuen Jahr. Ich habe genug Parties auf Tour. Seit meinem Umzug nach Tschechien vor neun Jahren gibt es ziemlich oft Parties. Wenn ich mal nicht auf Tour bin, arbeite ich für eine deutsche Agentur "Kraft Evention", und die beschäftigen mich das ganze Jahr hindurch ganz gut. Häufig fragen mich Leute, warum ich nicht auf einzelne Festivals und Konzerten zu sehen bin, aber das sind saisonale Supporter. Auf Tour hingegen supporte ich Metal jeden Tag, zu Hause jedoch möchte ich lieber relaxen, im Wald spazieren um Pilze zu sammeln oder am Flüsschen zu fischen.

MASTER ist wieder auf Tour. Das muss dir echt Spass machen, weil ihr in den letzten Jahren recht oft unterwegs seid, oder täusche ich mich da?

Das ist eigentlich eine blöde Frage, um ehrlich zu sein. Mit MASTER sind wir seit 2000 jedes Jahr unterwegs, zusätzlich haben wir jetzt noch mit Amerika-Touren angefangen; gerade bin ich von einer erfolgreichen Tour in den USA zurück gekehrt. Da die Tour so gut lief, wurde eine weitere gebucht, vor vier Wochen. Im Moment sind wir bis Juli 2009 eigentlich ausgebucht, sogar mit Zentral und Südamerika Tournee, weswegen es momentan recht lebhaft mit der Band zugeht.

Wie entstand die Verbindung zu den freundlichen Scheddel-Veranstaltern hier in Leipzig? Ich meine, du spielst nun ein zweites Mal bei ihnen.

Sie haben mich einfach vor ein paar Jahren ein paar mal kontaktiert und nach dem letzten Konzert (2008) entwickelte sich eine Freundschaft daraus. Die letzte Show hat mich dermaßen weg geblasen, so freue ich mich auf ein zweites Mal. Du musst die Motherfucker, die dich im Underground supporten eben bei der Stange halten. Für einen Veranstalter kann es sehr schwierig und risikobehaftet sein, aber sie machen Jahr für Jahr weiter. Sie haben es verdient, etwas gutes zu bekommen. Ohne die Scheddel-Crew würde das Leben ein Stück ärmer sein.

Dein letztes Album "Slaves To Society" war ziemlich erfolgreich. Wie siehst du das im Rückblick?

Ich muss sagen, dass ich in jedes Album meine ganze Kraft stecke, ein paar davon sind besser produziert, oder das Budget war größer, doch wie immer bin ich zufrieden mit "Slaves To Society" und das konkurriert natürlich mit vielen anderen Mühen, die ich über die Jahre produziert habe. Bei Erfolg meinst du sicher auch den Verkaufserfolg. Nun ja, eine Menge der alten Alben verkaufen mehr Kopien als die neuesten Veröffentlichungen, aber eine Band kann nicht allein an den Verkaufszahlen gemessen werden. Produktiver Input und eine hohe Qualität der Songs sind für Master besonders wichtig. Ich schreibe die Lieder über die Probleme der leistungsorientierte Gesellschaft und bedauerlicherweise sind wir alle "Sklaven der Gesellschaft".

Wo wir gerade beim Thema sind, politische Themen sind sehr wichtig für dich. Auf dem zweiten Album hast du über "America The Pitiless" geschrieben. Nun lebst du in Tschechien. Hast du noch Verbindungen zu deiner alten Heimat und was hältst du von dem "Change" von Barack Obama?

Ich habe noch ein paar Brüder in Amerika, so ist das meine noch real existente Verbindung zu dem Land. Wie ich schon früher auch gesagt habe, ich genieße es für ein paar Konzerte in die USA zu gehen, aber mich bringen keine zehn Pferde dauerhaft in das Land. Die Korruption dort wächst rasend schnell dort unter den Massen und ich fühle mich sicherer und freier in der europäischen Gemeinschaft. Da sind jede Menge Lieder auf "Slaves To Society", die sich mit den Problemen bspw. der Gerichtsverfahren / Strafprozessen, bzw. gerichtlichen Verurteilung von Menschen auseinandersetzen. Und die dort angesprochenen Probleme haben einen immensen Effekt auf die gesamte Gesellschaft. Die USA gibt mir immer viele Vorlagen und das kann man alles im Textblatt nachlesen.
Ich habe mit so vielen Leuten während der letzten US-Tour gesprochen und viele denken, dass frisches Blut letztes Endes ein Segen für sie in Amerika ist (offensichtlich ist Barack Obama gemeint, Anm. d. Verf.), aber ich persönlich glaube, dass sich nichts zum besseren wenden würde. Ich nehme an, dass die USA vermutlich für die schwarze Bevölkerung ein besser geschützter Hafen sein wird, aber Rassenunruhen zeichnen sich am Horizont ab, so wie es viele vorurteilsbehaftete White-House-Politiker glauben.
Je früher die Welt Toleranz lernt, um so besser wird es für uns alle werden. Die Menschen müssen miteinander umgehen lernen, ohne an Rassenproblemen, Farbe und Herkunft zu denken. Wir leben gerade in schwierigen Zeiten und die werden für uns schwieriger, falls nicht die Leute lernen, ihre unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten einander zu tolerieren.

Heutzutage müssen die Themen sehr hilfreich für deine Texte sein; auf der einen Hand die Finanz- und Wirtschaftskrise, die Umweltprobleme, der Krieg im heiligen Land, aber dann die alten verkrusteten Strukturen auf der anderen Seite. Stoff für ein neues Album?

Ich nehme an, dieser Stoff wird seinen Weg in das nächste Album finden, das wird sich zeigen. Im Moment habe ich über 50 Konzerte abzuhalten und unzählige andere Tourneen als Merchandiser zu bestreiten. So muss erstmal das Album erstmal warten. Überhaupt, was macht dieses Heilige Land so heilig?
Ein Buch wie die Bibel kann mich überhaupt nicht überzeugen. Bücher werden von Menschen geschrieben und Menschen haben oft übereifrige Vorstellungen. Wie es die Probleme im Nahost zeigen, wie du es so schön heraus gestellt hast, müssen die Menschen sich daran erinnern, dass die USA (nicht nur diese, auch europäische Länder sind da mit im Boot, Anm. d. Verf.) diese Region ständig mit Waffen beliefert. Diese Probleme werden nicht verschwinden und diese religiös motivierten Fanatiker benutzen gewöhnlicherweise ihre Religion als Grund zum Töten und einander Leid zu zufügen. Was ist das für ein schwacher und sinnloser Gott, als dass er ein Produkt von des Menschen eigener Krankheit ist? (Übrigens ein Titel und Text des Master-Lieds "What Kind Of God" vom Album "On The Seventh Day God Created Master", Anm. d. Verf.)

Zurück zur Musik. Death Metal hat sein Gesicht über die Jahre auch stark verändert. Du hast mit MASTER und ABOMINATION diesen neuen Stil im Metal mit gestaltet. Natürlich vergessen wir an dieser Stelle POSSESSED, DEATH und MORBID ANGEL nicht. Was kannst du über die Anfänge der Death Metal Szene in Amerika erzählen?

Da war am Anfang keine richtige Szene in den Anfangstagen. Nur wenige Menschen kamen vorbei, uns zu supporten. Das ist es eigentlich schon gewesen. Wir gingen auf kleine Tourneen und niemand kam! Die Tape Trading-Szene half der Entwicklung da schon ungemein. So kamen auch die Leute zu den Shows und so geht es im Underground wirklich ab.
Heutzutage unterstützen die Leute irgendwelche billigen Nachahmer von den originalen Stilen. Lass es mich mal direkt ausdrücken, viele der heutigen Schwergewichte des Genres sind nichts weiter als Klone von Originalbands. Unglücklicherweise ist Geld für eine Band wie MASTER immer ein Problem, weil wir nicht soviel in die Promotion reinstecken können. Interviews wie dieses helfen wirklich dabei, uns am Leben zu erhalten.
Ich bin richtig dankbar darüber, dass einer der Genre-Initiatoren, Kam Lee (ehemaliger Drummer von DEATH und MASSACRE), so straight mit seinem BONE GNAWER-Projekt umgeht. Es ist auch schön zu sehen, wie Terry Butler (ehemaliger Bassist von DEATH und MASSACRE, jetzt in der Band SIX FEET UNDER) und Rob Barrett (jetzt CANNIBAL CORPSE-Gitarrist) live spielen.

Wie beurteilst du den neuen Kram, mit dem "-core" drin, oder generell den neuen, brutaleren Death Metal?

Ich verstehe es einfach nicht, nehme ich an. Vielleicht bin ich dafür schon zu alt. Ich sage mir immer noch, dass weniger oft mehr ist und viele Bands versuchen, die fettesten, die progressivsten oder weiß der Deibel zu sein. Ihre Riffs sind irgendwie verloren im Shuffle, aber das ist meine eigene Meinung darüber. Ich würde viel lieber zu einer alten Thrash Metal oder Heavy Metal-Band hingehen, egal wann!

Wie siehst du den digitalen Fortschritt in der Aufnahmetechnik? Benutzt ihr sowas auch?

Es ist schneller, aber bedauerlicherweise kann jeder Penner ein Brutal Deathmetal-Album einspielen, ohne sich die Mühe zu machen, aber wenn es darum geht live den Kram zu präsentieren, dann haut es meistens nicht hin. Ich habe viele Gelegenheiten gehabt, das zu sehen. Früher nutzten wir einfach das analoge Equipment, und wenn der Drummer einen Fehler gemacht hatte, dann hatten wir das Stück so lange zu üben, bis es hinhaute. Da ging es um echtes Talent, heute ist alles zu einfach. Wie gesagt, digitales Aufnehmen geht in ein paar Tagen, früher hat es Wochen gedauert.

Wenn du in deinen Erinnerungen herumkramst, was ist deine schlechteste Live-Erfahrung überhaupt?

Vor zwei Leuten in Schweden zu spielen. Vor ein paar Jahren war das so. Wir waren auf einer zusammengewürfelten Show, die aus zwei zusammen laufenden Tourneen bestand. Ein paar dieser Bands, ROTTEN SOUND und DEFLESHED, mussten nach Hause, so kam keiner mehr zu uns. Ich war ziemlich überrascht zu sehen, dass alle Bands zusammen vor vierzig Leuten spielten und niemand uns hinterher unterstützte. Wir spielten also anderthalb Stunden für einen Ehemann und seine Frau. Wir sind professionell. In einer normalen Situation, wenn die Leute nicht zur Band kommen, wie bei der letzten LOWBROW-Tour, unterstützen sich die Bands gegenseitig und machen daraus eine fette Party, aber nicht so diesmal. Wir waren nicht mal Headliner bei dieser Show, aber wir waren angehalten zu spielen, weil eben die beiden Bands ausgefallen waren.

Erinnerungen, Erinnerungen. Paul Masvidal und John Tardy machten ja bei eurem Zweitwerk "On Seventh Day" mit. Wie war das mit der Zusammenarbeit im Rückblick?

Darüber ist wirklich nicht viel zu sagen. Paul flog ein, schrubbte die Songs in 24 Stunden herunter, wie es nunmal ein richtiger professioneller Musiker halt so macht. Er hat das für ein Flugticket gemacht. Scott Burns (berühmter Death Metal - Produzent, der u.a. SEPULTURA, OBITUARY und CANIBAL CORPSE betreute) war mit Paul befreundet und hat ihn einfach gefragt, ob er nicht für den ausgefallenen Gitarristen Jim Martinelli einspringen könnte.
Bei John Tardy (Frontmann bei OBITUARY) war es so, dass er mit einem Sixpack Bier vorbei kam und für zwei Songs im Hintergrund herumbrüllte und wieder ging. Ich habe so gelacht, als wir uns Jahre später auf dem Fuck The Commerce-Festival wieder trafen und ich ihm davon erzählte. Er erzählte mir, dass er sich weder an die Situation, noch an mich noch an MASTER erinnern kann.
Später habe ich gelächelt, als er statt der üblichen OBITUARY-Alben auch die Kopien von "On The Seventh Day" signierte. Aber diese Begegnung war dann auch der Beginn einer langen Freundschaft mit ihm, und Frank Watkins (Bassist von OBITUARY) hat uns offeriert, uns mit auf die OBITUARY-Reunion-Tour 2004 zu nehmen. Ende gut, alles gut.

Kannst du dir wieder eine Tour mit KRABATHOR vorstellen?

Ich habe das 2002 mit beiden Bands bereits gemacht auf der "System Shock Over Euro Tour Part 2". Ich würde das gerne wieder tun, aber da jemand aus der Band in Chicago bei EVIL INCARNATE spielt, wird das wohl erstmal nichts.

Jetzt lebst du beinahe zehn Jahre in Tschechien, genießt du dort auch das gute Essen und Trinken? Aus Erfahrung weiß ich, wie gut das dort schmeckt.

Natürlich ist tschechisches und deutsches Essen das beste in der Welt. Aber Tschechien trägt die Krone für das beste Bier. Ich werde nur noch Bier in Deutschland und Tschechien trinken. Slivovice oder Jack Daniel's werde ich überall trinken.

Wenn du die tschechische Metalszene gut kennst, kannst du auch an dieser Stelle einn paar Bands nennen, die dir in letzter Zeit aufgefallen sind.

Du kannst PANDEMIA, TORTHARRY und FLESHLESS checken. Die besten Festivals bei uns sind Brutal Assault und Obscene Extreme. Ich muss sagen, wenn du ein ziemlicher Grindcore-Freak bist, dann sind die Tschechen und Slowaken die besten in diesem Genre. Da reicht keiner ran.

Was ist die beste tschechische Philosophie, die du kennen gelernt hast?

Essen, trinken, und sei lustig. Unterstütze und helfe deiner Familie und Freunde und dir wird im Gegenzug auch geholfen. Harte Arbeit zahlt sich aus.

Gut, das waren doch ein paar Fragen mehr als ich dachte. Aber ich hoffe, dass sie dir gefallen haben. Das ist leider schon das Ende unseres Interviews. Wenn du magst, dann kannst du ein paar letzte Worte an die deutschen Fans richten. Das Beste für dich, wir sehen uns!

Wenn ihr "Slaves To Society" oder "Four More Years Of Terror" noch nicht gekauft habt, dan verpasst ihr einen der wenigen noch lebenden Initiatoren von Death Metal. Vergesst die billigen Nachahmer und kommt zu dem wahren Meister!
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