"In Hoc Signo Vinces" - Vom Siegen und vom Teilen


Interview mit VII Gates
Melodic Heavy Metal aus Schweden - Halmstad


Mit „In Hoc Signo Vinces“ haben die Schweden VII GATES im April eine Scheibe veröffentlicht, die beim ersten Durchlauf kalt lässt, beim zweiten Durchlauf verwundert, bis sie irgendwann um den fünften herum den Nachbrenner zündet. Da das in diesen Zeiten erfahrungsgemäß zu spät sein könnte, war ein wenig postalische Evaluation angebracht, für welche sich Hauptsongschreiber Jonas „JJ Rockford“ Arvidsson in die Tastatur seines neuen Handys verbiss.
Dummerweise war gleich die erste Nachricht eine Hausnummer: Jonas und VII GATES gehen getrennte Wege. Keine unbedingt optimale Ausgangssituation für ein Inti mit der Band, aber in Anbetracht der Tatsache, dass „In Hoc Signo Vinces“ zum größten Teil Jonas‘ Feder entsprungen ist, funktionieren wir das Gespräch elegant zum Album-Interview um - viel Spaß dabei!


Hallo Jonas, fangen wir gleich mit den schlechten Neuigkeiten an: Wie kam es zum Split mit VII GATES?


Aufgrund meines neuen Jobs war ich gezwungen, in eine andere Stadt zu ziehen. Als die Jungs mich baten, die Band trotzdem zusammen weiter zu führen, habe ich zugesagt, bis ich ein paar Monate später mitbekam, dass sie den Bandnamen und das Logo ins Markenregister hatten eintragen lassen – eine Sache, von der vorher nie die Rede gewesen war. Zudem teilte man mir mit, dass ich fortan nicht mehr Teil der Band sei, was natürlich ziemlich frustrierend ist: Ich habe VII GATES vor zehn Jahren gegründet, bin für fast alle Songs verantwortlich und habe den Großteil der mit einer Band einher gehenden Arbeit erledigt.

Hast du eine Ahnung, was die Anderen nun vorhaben? Gibt es größeren Streit?

Nicht direkt Streit, zumindest nicht von meiner Seite. Mit Blick auf die oben beschriebenen Vorgänge kann ich das aber auch nicht hundertprozentig gut finden, wie du vielleicht verstehst. Was die Pläne von VII GATES betrifft: Ich denke, sie werden jetzt einfach ein neues Album einspielen, denn der Plattenvertrag gilt ja für die Band, nicht für ihre Bestandteile.

Und wie sieht deine musikalische Zukunft derzeit aus?

Ich habe natürlich versucht neue Leute zu finden, um wieder Musik zu machen. Nun existiert meinerseits allerdings eine recht hohe Erwartungshaltung und diese Ansprüche wurden bisher noch nicht erfüllt, also suche ich auch weiterhin nach passenden Musikern.

Dann widmen wir uns jetzt vorsichtig der aktuellen Scheibe deiner Ex-Band. Du meintest in deiner Mail, dass du das Review zu „In Hoc Signo Vinces“ bei uns gelesen hast – wo hast du Deutsch gelernt? Beim Trinken?

Eine Menge Schweden lernen Deutsch in der Schule, es ist die nach Englisch populärste Zweitsprache hier. Ich hatte also ein paar Jahre Deutschunterricht, von dem mittlerweile leider nicht mehr allzu viel übrig geblieben ist. Bei meinen Besuchen in Deutschland fiel mir aber auf, dass ich recht schnell lerne und nur wenige Tage brauche, bis ich beispielsweise die Nachrichten verstehe.
Leider bin ich bisher nur selten bei euch gewesen, da ich meinen Urlaub normalerweise beim Skifahren in den schwedischen oder norwegischen Bergen verbringe. All die Burgen und der fantastische Service in den Motels sind aber auf jeden Fall gute Gründe für einen Besuch in Deutschland.

„In Hoc Signo Vinces“ stellt für mich eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Vorgänger dar – wie siehst du die beiden Scheiben, was habt ihr dieses Mal anders gemacht?

Das neue Album ist auf jeden Fall sehr viel komplexer als der Großteil von „Fire, Walk With Me“.
Die guten Reviews zu unserem Debüt - auf welches wir natürlich ziemlich stolz waren - haben uns in dieser Hinsicht wirklich motiviert, also wollten wir auf dem Nachfolger unsere eigenständigen Elemente noch ein wenig weiter ausreizen. Ich denke auch, dass uns das ganz gut gelungen ist, selbst wenn „In Hoc Signo Vinces“ vielleicht mehrere Anläufe braucht, bis es zündet.


Wurde das in der Presse entsprechend aufgenommen? Siehst du deine persönlichen Eindrücke dort bestätigt?

Hmm, die Reviews fallen bisher generell nicht ganz so gut wie beim ersten Album aus. Ich weiß nicht so richtig, was ich davon halten soll – man kann ja schlecht sagen, dass die Leute in Bezug auf die Scheibe „falsch“ hören oder denken. Im Endeffekt hat jeder ein Recht auf seine eigene Meinung.
Allerdings fällt es schon auf, dass uns offenbar viele Leute beurteilen, bevor sie auch nur einen Ton gehört haben. Bei einer schwedische Band mit dem Namen VII GATES erwarten die meisten entweder Göteborg Death Metal oder traditionellen Power Metal, vielleicht so in Richtung HAMMERFALL – und schlechter kann man es bei uns kaum treffen. Wir singen nicht über Drachen (die ich für wirklich arme Kreaturen halte, ständig verfolgt von blutrünstigen Metallern), es gibt kein Gegrunze und nur sehr wenig Doublebass-Einsätze.
Aber egal, manchmal finden die Schreiber auch merklich Gefallen an unserer Art Musik und das sorgt für Reviews, die mindestens so interessant sind wie… …potenzielle Hiphop-Reviews von mir.

Du meintest, dass du mit der Scheibe im Großen und Ganzen zufrieden bist, aber durchaus noch Raum für Verbesserungen siehst – was genau könntest du dir da vorstellen?

Ehrlich gesagt denke ich, dass wir sehr gute Songs haben, aber auf der Performance- und Produktionsseite noch mehr drin gewesen wäre. Gerade die Produktion ist recht rau, während ich eigentlich etwas mehr in Richtung der QUEEN-Produktionen aus den 80ern gehen wollte: Komplex und druckvoll, aber mit einem sehr polierten Finish. Das ist jedoch ein sehr schmaler Grat, denn im Gegenzug will man natürlich nicht die Energie, den Rock´n Roll, oder wie immer du es nennen willst, einbüßen.

Im Review habe ich HELLOWEEN und JUDAS PRIEST als Referenzen erwähnt, mittlerweile würde ich noch JON OLIVA´S PAIN dazu nehmen – wen würdest du selbst denn unbedingt auf der Liste sehen wollen?

Wenn ich gezwungen bin, anderen Leuten unsere Musik zu beschreiben, dann läuft es meist auf „ein Mix aus IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST, SAVATAGE und RAINBOW“ hinaus. Natürlich finden sich noch viele andere Einflüsse und in Reviews werden wir eigentlich regelmäßig mit Bands verglichen, von denen ich noch nie gehört habe – in der Schnittmenge jedoch ist es einfach sehr vielseitige Musik, die mit beiden Beinen im klassischen Hard Rock und Heavy Metal steht.

Stichwort vielseitig: Manche Elemente in Songs wie „Cat Eyes“ oder „Feeding…“ sind ziemlich abgefahren – gibt es da tiefere Gründe, sind das Launen des Moments, wollt ihr so abgedreht wie möglich sein?

Nein, es geht schlicht darum, sich beim Songwriting alle Optionen offen zu halten. Wenn ich denke, dass ein Song nach einem Rockabilly-Intro verlangt, dann soll er es bekommen – was spricht dagegen? Wenn es gut klingt, dann ist es gekauft, was man auch an meiner Arbeitsweise sehen kann: Wenn ich schreibe, dann gibt es zunächst meist nur eine bestimmte Idee, ein paar Riffs, einen Rhythmus, oder vielleicht eine Melodie. Das spiele ich dann wieder und wieder und versuche zu hören, was als Nächstes kommen sollte.

Darf man überhaupt in Metal-Konventionen denken, wenn man das so angeht?

Ich glaube, dass diese Genres und Kategorien einfach eine Frage des Arrangements sind. Nimm zum Beispiel den Song „I Turn To You“: In der Fassung mit Mel B (oder war es C?) ist es ein moderner Popsong. Die norwegische Band WIG WAM hat aus der gleichen Nummer einen sehr guten Hard Rock-Song gemacht. Wenn ich persönlich eine gute Songidee habe, dann achte ich bei Arrangement und Produktion einfach darauf, dass am Ende ein Hard Rock- oder Heavy Metal-Song herauskommt.

Auffällig sind die Keyboards auf der Scheibe, die zumindest innerhalb der Songs eine Menge Atmosphäre transportieren. Dagegen wirken die kabarettistischen Zwischenspiele (wie der Marsch) manchmal etwas hölzern – hab ich da irgendwie einen speziellen Humor übersehen?

Haha, es ist niemals gut, wenn sich Leute erkundigen müssen, inwiefern irgendetwas lustig gemeint ist. Daher: Kein Kommentar.

Und welchen Anteil hatte euer Keyboarder an seinen Parts?

Das kommt immer auf den jeweiligen Song an. Manchmal sind die Keyboards direkt vom Start weg Bestandteil, manchmal fügen wir sie auch erst später ein, weil wir denken, dass ein Stück noch das gewisse Etwas braucht. Das sind dann mehr oder weniger gemeinsame Entscheidungen, die wir zusammen treffen und auch umsetzen. Die bessere Idee setzt sich einfach durch.

„Keyboards sind nicht Metal“ – kannst du diese verbreitete Einstellung angesichts deiner eigenen Musik nachvollziehen?

Natürlich nicht! Rock- und Metalbands benutzen seit Ewigkeiten Instrumente wie Piano, Orgel, oder eben Keyboards, und aufgrund eines einzelnen Instruments zu sagen „das ist nicht Metal“ – da fehlen mir die Worte. Das ist als ob man sagen würde „das ist kein Metal, weil die Gitarre grün, der Bassist glatzköpfig, oder das Cover drachenfrei ist“. Und es gibt sicher noch viele sinnfreie Varianten mehr auf diesem Gebiet…

Wie sieht es mit anderen Streitpunkten aus: weiblicher Gesang, Spandex, Oberlippenbart, Kutte…


Das dürfte sich aufgrund meiner letzten Antwort ableiten lassen. Aber der Reihe nach: Eine Freundin von mir – Alexandra von THE QUEEN OF HARDROCK – hat eine der besten mir bekannten Stimmen, egal mit wem man sie vergleicht. Spandex finde ich ziemlich cool, vorzugsweise bei Mädchen. Einen Oberlippenbart hätte ich vielleicht schon längst, aber trotz meiner 30 Lenze will die Wolle einfach nicht wachsen. Und was die Kutte betrifft: Ich habe eine, allerdings trage ich sie nur selten… ;)

Das bringt uns zurück nach Schweden, wo ja derzeit ein recht illustre Metalszene blüht – sozusagen die NWoSHM. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede existieren dort, und fühlt ihr euch als Teil dieser Bewegung?

Nun ja, wir kommen aus Schweden und wir spielen Heavy Metal – ich hoffe also schon ein wenig, dass wir Teil der Szene sind. Generell gibt es gerade in musikalischer Hinsicht natürlich viele Gemeinsamkeiten, auch wenn die etablierten Bands durchaus ihre eigene Stilistik haben. Wir persönlich pflegen darüber hinaus eine entspannte Grundhaltung, schauen auf Bandfotos nicht grimmig, und versuchen trotz musikalischer Vielseitigkeit nicht wie eine experimentelle Band zu klingen. Dennoch: Insgesamt gibt es innerhalb der Szene wahrscheinlich schon mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.

Und konntet ihr davon irgendwie profitieren, vielleicht durch mehr Gigs oder solche Dinge?

Wir hätten definitiv viel öfter live auftreten sollen, aber ich denke, dafür hätten wir eine Bookingagentur gebraucht. Im Endeffekt war die Band einfach zu faul, solche Sachen selbst zu regeln…

Wie erklärst du dir als Musiker und als Fan den Erfolg der Retro-Welle, gerade auch bei jüngeren Leuten?

Gute Musik ist zeitlos, wahrscheinlich ist es wirklich so einfach. Wenn man bedenkt, wie viel an wirklich guter Musik über die Jahrzehnte entstanden ist und sich zur gleichen Zeit die Produkte der „Superstar“-Maschine vor Augen hält, dann nimmt es kaum Wunder, dass all die alte Musik immer noch sehr attraktiv zu sein scheint.

Ich hoffe ja, dass es einige der Bands bis zur dritten Scheibe schaffen werden, aber musikalische Stagnation könnte für viele schnell zum Stolperstein werden. Wie kann man das als Musiker und Songwriter vermeiden, ohne dass es gezwungen klingt?

Man sollte meines Erachtens vor Allem nicht versuchen, die Dinge zu planen. Sie passieren ohnehin. Für mich persönlich ist es momentan ziemlich einfach, da ich weit mehr Material komponiere, als ich mit einer Band jemals aufnehmen könnte – das dürfte derzeit wahrscheinlich genügen, um drei Projekte mit hochklassigem Material zu versorgen. Insofern muss ich mir keine Songs „ausdenken“, sondern kann sie ganz natürlich aus mir herauslassen. Ich denke das merkt man, selbst wenn man es nicht in dem Sinne hören kann.

Kommen wir zur beliebten Rubrik Lyrik: Ich habe kein Textblatt vorliegen, also erzähl mal ein wenig – gibt es ein Konzept, schreibst du nach der Musik, oder bastelst du einfach mehr oder weniger zufällig etwas zusammen?

Hmm, ich arbeite zwar recht ausgiebig an den Texten, aber im Endeffekt trifft es „basteln“ wohl doch am besten. Normalerweise kommen die Lyrics erst in einem ziemlich fortgeschrittenen Stadium des Songwritings hinzu und orientieren sich an ein paar Einfällen, die durch die Musik entstehen. Anhand dieser Fragmente schreibe ich dann den Rest. Es kann aber auch sein, dass ich einen Titel oder ein bestimmtes Thema im Kopf habe, was ich dann den musikalisch passenden Songs zuordne.
In jedem Fall bringt es eine Menge Arbeit mit sich, da die Texte zum Einen gut klingen sollen, wenn man sie singt, zum Anderen natürlich auch eine gewisse Bedeutung transportieren sollen. Das reicht dann von kurzen Geschichten konventioneller Machart bis hin zu vielseitig interpretierbaren Stücken, was ich eigentlich sehr mag: Der Hörer soll sich sein eigenes Bild vom Thema des Songs machen, ohne dass ich ihm bestimmte Meinungen vorgebe.

Zumal ihr mit Criss einen der besten jungen Sänger in euren Reihen habt, der perfekt zu deinem Songwriting passt – gibt es trotz des Splits eine Chance, dass du mit ihm nochmal zusammenarbeitest?

Haha, da wird Criss aber verdammt geschmeichelt sein, dass du ihn mit seinen 43 Jahren als jung bezeichnest ( „D’oh!“ –rs)! :)
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir irgendwann wieder etwas zusammen machen. Wir sind nicht unbedingt Todfeinde, auch wenn ich alles andere als glücklich darüber bin, dass sie mir mein Projekt und meinen Plattendeal gestohlen haben. Zumindest sehe ich das so.
Davon unabhängig gibt es sicherlich auch andere Sänger, die zu dem Material passen – ist alles eine Frage der Abstimmung.

Damit zur letzten Frage: Gibt es ein Buch, welches du derzeit liest und potenziellen Lesern ans Herz legen möchtest?

Derzeit lese ich „The man from Barnsdale“ vom schwedischen Autor Dick Harrysson. Darin geht es um Wahrheit und Mythos in der Legende von Robin Hood, eine sehr interessante Lektüre. Ich habe allerdings keine Ahnung, ob das in andere Sprachen übersetzt wurde, also gibt es noch einen Alternativvorschlag: So ziemlich jedes Buch von Jan Guillou. Ich persönlich würde die vierbändige Serie über den schwedischen Templer Arn und die zwölfbändige Geschichte des Marineoffiziers Carl Hamilton empfehlen.

OK, das das sollte uns über die Zeit bis zu deiner nächsten Scheibe retten. Ich bedanke mich für das Interview und wünsche dir eine auch musikalisch erfolgreiche Zukunft – die letzten Zeilen gehören dir:

Ist mehr ein Aufruf: Unterstützt eure lokalen Bands, besucht ihre Auftritte, auch wenn sie in euren Augen vielleicht nicht unbedingt die beste Musik der Welt machen. Das hilft der gesamten Szene und sorgt hoffentlich dafür, dass gute Musik es in Zukunft wieder etwas leichter hat!
Falls jemand an meinem Schaffen interessiert ist, ist www.myspace.com/viigates (die ehemalige Bandseite) ein guter Startpunkt. Neben Songs der ersten beiden VII GATES-Alben könnt ihr dort auch Infos über zukünftige Projekte finden, sobald sie spruchreif sind – sie werden auf jeden Fall kommen.


www.sevengates.se
www.thequeenofhardrock.com
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