Metal is Religion


Interview mit Powerwolf
Power Metal aus Deutschland - Saarbrücken
Wenn der POWERWOLF heult, lauscht die Bloodchamber aufmerksam und begibt sich an den Ort des Geschehens, um sich nicht nur die volle Packung auf der Bühne anzuschauen, sondern bei dieser Gelegenheit auch zwei Wölfen ein wenig auf die Zähne zu fühlen. Anders als in freier Wildbahn oder während der Show fletschen Matthew Greywolf (git.) und Falk Maria Schlegel (keys) sie im Gespräch dann auch nicht und stellen sich als gesellige Gesprächspartner heraus, immer mit der nötigen Mischung aus Ernst und Augenzwinkern, wie sie ebenso die Musik der Band auszeichnet.

Es gibt die Band seit 2003 und bisher ist mit jedem Album die Popularität ordentlich gestiegen. Da kann man doch sagen, das bisher eigentlich alles sehr gut gelaufen ist, wenn man bedenkt, dass man mit der Musik, die POWERWOLF spielt, kein Millionär wird.

Matthew: Nein, das haben wir auch nicht vor. Ja, aber sonst kann ich das nur bestätigen. Es läuft für uns sehr gut. Die Fanbase wächst enorm mit jedem Album, und das freut uns natürlich. Das ist heutzutage nichts Selbstverständliches mehr, und wir wissen das sehr zu schätzen.

Welche Bedeutung hat Metal Blade für POWERWOLF? Ihr habt ja von Anfang an die Alben über dieses Label rausgebracht und bei „Wolves Against The World“ gibt es eine Zeile, die sich nach einer Anspielung auf und für das Label anhört.

Matthew: Ok, du hast den Text genau gelesen. „The priests of Metal Blade“ nehm ich an. Ja, das war natürlich so ein kleiner Gag in Richtung Metal Blade, zeigt aber auch unsere Loyalität zu Metal Blade, denn das Verhältnis POWERWOLF – Metal Blade ist ein sehr loyales Verhältnis.

Falk: Das kann man so beschreiben, ja.

Matthew: Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zu ihnen, auch ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Metal Blade ist ein sehr renommiertes Label mit einer bedeutenden Geschichte, und es ist für uns schon eine sehr bedeutende Sache, bei Metal Blade zu sein.

Falk: Wenn wir Open Airs spielen, dann kommt Metal Blade nicht nur als, was weiß ich, Vertreter der Plattenfirma sondern auch als Fan von POWERWOLF, und das werden dann meistens ziemlich heftige Parties. Ist, wie er sagt, ein freundschaftliches Verhältnis und man hat nie das klassische Gefühl von, weiß ich nicht…

Dass jemand kommt und sagt, jetzt ändert mal das eine Lied so und so, damit... oder?

Matthew: Ja, genau. Das ist etwas, was wir NIEMALS machen würden. Wir haben absolute künstlerische Freiheit und POWERWOLF ist auch so eine Band... Wir machen das, was wir tun, sehr sehr konsequent. Wir machen ganz konsequent das, worauf wir Bock haben, ohne jeden Kompromiss. Metal Blade verstehen das, lassen uns unsere vollkommene Freiheit und das wissen wir sehr zu schätzen, denn das hast du nicht bei jedem Label, und es ist auch die Voraussetzung dafür, dass wir uns so entwickeln können, wie wir wollen.

Wenn ich so die Alben der Reihe nach durchgehe, sind, zumindest meiner Meinung nach, immer mehr Elemente dazu gekommen, aber trotzdem ist es immer härter geworden.

Matthew: Kann man wohl so stehen lassen, ja.

Das ist doch eigentlich ungewöhnlich, denn desto mehr Elemente dazu kommen, desto verwaschener wird es doch oft oder, sagen wir, experimenteller, aber normalerweise ist es eben nicht so, dass es dann immer mehr geradeaus vorwärts geht.

Matthew: Da musst du unterscheiden. Das, was für uns wichtig ist und wohl auch für einen guten Song wichtig ist, sind die Grundzutaten. Wenn ein Song einen geilen Refrain hat und eine coole Strophe, die gut nach vorne geht, dann ist das die Basis für einen guten Song. Du kannst dann verschiedene Dinge draufpacken. Wir haben viel mit Chören gearbeitet, mit der Kirchenorgel. Du kannst das alles draufpacken, aber das Wichtige ist die Basis. Der Song muss geil sein.

Falk: Die Zutaten ersetzen kein gutes Songwriting.

Matthew: Ein guter POWERWOLF Song muss auch noch funktionieren, wenn du alle Chöre und alles weg nimmst. Selbst dann muss es noch ein geiler Metal Song sein.

Wo die Chöre vom Publikum ersetzt werden.

Matthew: Live werden die Chöre mittlerweile sehr sehr textsicher vom Publikum mitgesungen, was natürlich auch cool ist.

Wie passt die Verbindung aus den sakralen Elementen, auch mit der Verwendung von lateinischen Versen, zu den „Gruselfotos“ und der Musik, die so energiegeladen ist und die zumindest eine positive Stimmung vermittelt. Ich will mal nicht sagen, dass sie unbedingt superfröhlich ist, weil ich nicht weiß, ob ihr mit dem Ausdruck „fröhlich“ übereinstimmen würdet.

Matthew:
Nein, aber es gibt natürlich einen gewissen Partyfaktor beim WOLF. Tja, ist schwierig zu beantworten, weil es für uns eine Symbiose ist, die völlig natürlich ist.

Aber du verstehst, was ich meine, also dass das Dinge sind, die im Grunde genommen nur eine kleine Schnittmenge haben.

Matthew: Die Schnittmenge von den sakralen Elementen und Metal find ich völlig natürlich. Für mich persönlich ist eine Kirchenorgel ein supermächtiges Instrument. Hör dir mal eine Kirchenorgel in der Kirche an, das ist für mich Metal. Das Ding ist so gewaltig.

Falk: Redet ihr über meine Orgel?

Matthew: Nein, wir reden darüber, dass die sakralen Elemente und Metal einfach zusammengehören, finde ich. Das ist kein Widerspruch.

Falk: Hast du schon „Metal is religion“ als Credo gesagt?

Matthew: Ja, sowieso. Die Elemente gehören für mich einfach zusammen, und ich glaube, dass die bei uns auch sehr Hand in Hand gehen. Du wirst bei uns nicht feststellen, da ist jetzt der Metalteil und nun versuchen sie, irgendwas Sakrales reinzubringen. Das ist bei uns so zusammengewachsen, dass es bei uns einfach zusammengehört.

Bei den sprechenden Liedtiteln, die ihr verwendet, und dem Augenzwinkern, was ich den Texten oft unterstelle, ist es da immer noch schwierig, sich von einem Funband Image abzugrenzen, weil POWERWOLF keine Funband ist?

Matthew: Ja, das ist sehr wichtig, dass wir uns da abgrenzen. Denn, wie du schon sagst, kriegen wir aus manchen Ecken immer wieder unterstellt, dass wir ne Funband sind, was wir definitiv nicht sind. Allerdings, was du auch bemerkt hast, bei uns gibt’s immer irgendwo ein dickes Augenzwinkern. Unsere Texte handeln ja größtenteils von religiösen Hintergründen, religiösen Anspielungen. Du hast dann zum einen das Lager, das uns den Funfaktor vorwirft, du hast zum anderen aber auch die Gefahr, wenn du über religiöse Themen singst, dass du ganz schnell in eine Ecke von religiösem Fanatismus gesteckt wirst. Falk hat eben schon gesagt, „Metal is religion“. Das ist unsere Religion. Wir singen über verschiedene Religionen, über Gott, Satan... Das ist einfach ein Themenspektrum, was uns super interessiert. Wir sind alle sehr belesen was spirituelle und religiöse Dinge angeht. Aber...

Falk: Wir sagen immer, wir wollen keinen bekehren, außer zum Metal. lacht

Matthew: Wir sind keine... Ich könnte jetzt nicht sagen, wir sind Christen, Satanisten oder was auch immer.

Ohne beim Bekehren zum Metal so stumpf durchzumarschieren wie MANOWAR, die auch alle zum Metal bekehren wollen, mittlerweile aber vor allem die Leute von sich wegbekehren.

Matthew: Zum Beispiel. Für uns ist dieses Augenzwinkern auch so ein bisschen ein Symbol, zu sagen, pass auf, wir singen zwar über religiöse Dinge, sehen das aber mit einem gewissen Abstand. Wir berichten.

Falk: „Beobachter der Szene“ haben wir immer mal gesagt. Was ganz entscheidend und mir persönlich auch wichtig ist: Man sollte sich auch nicht immer sooo wichtig nehmen bei Allem. Viele Metalbands nehmen sich teilweise auch ein Stück weit zu ernst und zu wichtig. Ich glaube, gerade bei den Liveshows merken die Leute, dass wir auf der Bühne auch selbst einfach mal Spaß haben und lachen. Das ist auch ein ganz wichtiger Faktor: Wir wollen auch unterhalten. Manchmal hat man den Eindruck, im Metal darf ich das fast nicht. Wenn ich sage, ich unterhalte, bin ich fast schon irgendwie...

Unseriös?

Falk: Ja, und das ist eigentlich albern, weil, im Grunde genommen, wenn ich mich beobachte, wie ich selbst auf Konzerte gehe. Ich kann es auch genießen, wenn da einfach nur die Musik gespielt wird, klar, aber ich mag das schon, wenn da zum Beispiel der Drummer den Stick hochwirft und mit den Zähnen auffängt. Das ist geil. Ich mag schon so Unterhaltungskram. Aber das ist für mich kein Klamauk, das ist einfach live. Und live ist immer wichtiger geworden gegenüber einer CD. Und ohne eine gute CD brauchst du eigentlich auch nicht live zu spielen. lacht. Das ergibt sich einfach so aus dem Zwischenspiel.

Auf der Homepage steht „To the honour of god and the grandeur of Heavy Metal on earth“ Welcher Gott ist denn da gemeint - der Metalgott oder Metal als Gott oder jeder darf sich selbst aussuchen, welchen Gott er darin sieht?

Matthew: Letzteres, denn jeder hat sein eigenes Gottesbild. Wer da gemeint ist, lass ich ganz bewusst mal... im Raum stehen.

Außerdem gibt es auf der Homepage bei jedem von euch einen Fragebogen, wo nicht nur positive Sachen gefragt werden, sondern auch die schlechteste Show...

Matthew: Haben wir sowas?

Falk: Ja.

Habt ihr auch alle beantwortet.

Matthew: Echt? Oh.

Dann gibt es noch Tourdiaries und Studiodiaries. Ihr scheint also eine sehr auskunftsfreudige Band zu sein. Ist das, weil euch das so viel Spaß macht, denn wenn man etwas gerne macht, erzählt man ja auch gerne davon, oder ist das ein Stück weit auch Notwendigkeit heutzutage im Internet, weil man nicht alle drei Wochen ein neues Album rausbringen kann?

Falk: Ein Stück weit beides. Es wird langsam inflationär mit Sachen wie Twitter, Facebook usw. Für mich persönlich ist das aber auch eine Sache, die ich gerne mag. Wenn ich auf eine Homepage gehe und da steht was über eine Tour, Off-Days und solchen Kram. Das hab ich immer supergerne gelesen.

Sowas wie mit eurem defekten Camper auf der Autobahn. (nachzulesen im „Metal is our Mission“ Tourdiary)

Falk: Ja, zum Beispiel, das lese ich lieber als „wir haben dort und dort gespielt.“ Ich weiß nicht, wie du (Matthew) das siehst.

Matthew: Ja, das geht mir genauso. Wenn ich das aus Fanperspektive betrachte, sind das die Sachen, die mich interessieren. Ich finds aber auch gut, unsere Fans ein Stück weit Teil zu haben lassen an dem, was wir machen.

Das macht das Bild von der Band runder, wenn sie nicht immer nur über ihre Musik schreibt, sondern auch über anderen Kram.

Matthew: Natürlich. Die Musik, die wir machen, ist ein Teil des ganzen Bandlebens. Und im Studiotagebuch dann Einblick zu geben, wie entsteht die Platte, und was passiert auf Tour. Das ist wichtig, und wir machen das auch gerne.

Falk: Es wird auch ein Tourtagebuch von dieser Tour geben. Wir schreiben es aus der Retrospektive.

Matthew: Denn wir sind auf Tour zu faul oder zu beschäftigt, Interviews zu geben.

Bei „Werewolves Of Armenia“ ist die Melodie von einem russischen Volkslied, der Kassaka, drin. Ist das ein Element, was noch häufiger kommen wird – oder vielleicht schon verwendet wurde, und ich hab es nur nicht erkannt?

Matthew: Kann ich dir eigentlich nicht beantworten. Wir sind sehr impulsiv beim Songwriting. In dem Fall war es einfach eine Idee. Attila (voc.) kam irgendwann an mit einer Kassette, mit einer alten Kassette, die hat geleiert, und meinte, wir müssten das unbedingt machen, das wäre geil. Wir haben uns das angehört und gesagt, „Attila, du spinnst! Mach das weg!“ Er war beleidigt, aber er kam immer wieder mit diesem Tape. Irgendwann haben wir dann gesagt: „Gut, wir probieren es einfach mal aus.“ Dann haben wir es ausprobiert und es hat uns völlig umgehauen, also haben wir es gemacht. Ob man sowas wiederholen kann, weiß ich nicht. Sowas passiert, aber wir werden jetzt sicher nicht hingehen und uns alte russische Volkslieder anhören, um eben doch noch mal was zu finden.

Ihr könntet ja zum Beispiel auch „Im Frühtau zu Berge“ nehmen.

Matthew: Naja, das ist dann vielleicht ein bisschen zu rustikal für den WOLF. Aber wenn sich sowas ergibt, werden wir das mit Sicherheit wieder machen. Es gibt großartige Melodien in alter Musik, definitiv. Und es ist auch Quatsch so etwas zu ignorieren, wenn es sich ergibt, aber es wird nicht Teil des Konzepts, dass wir sagen, wir verwursten sowas.

Wer sind denn die Feinde des WOLF, die in „Wolves Against The World“ besungen werden?

Matthew, schmunzelnd: Naja, „Wolves Against The World“ ist ein bisschen eine pathetische Selbstbeweihräucherung. Die Feinde sind zum Beispiel, wie eben erwähnt, Camper, die auf Tour stehen bleiben. Das war einfach so aus dem Gefühl raus. An solchen Tagen, du bist auf Tour, der Motor vom Camper verreckt auf der Strecke nach Wien, du sitzt auf dem Parkplatz und weißt, du wirst die Show heute Abend nicht spielen können. Das sind so Momente, in denen wir dann auch ein sehr cooles Bandgefühl entwickeln und sagen: Ok, der Kreis hier hält jetzt zusammen. Dann hast du das Gefühl, wir gegen den Rest der Welt.

Falk: Das ist auch so eine Art Lebensgefühl. Wir spielen immer volle Show, egal was passiert, egal wie es einem geht, egal wie krank man ist.

Egal ob 10 oder 5.000 Leute da sind.

Falk: Genau, egal ob das jetzt Wacken ist oder 10 Leute irgendwo. Es ist immer die gleiche Show von unserer Intensität. Das ist das „against“, wir fahren nicht runter.

Matthew: So eine „Jetzt erst recht“ Einstellung.

Falk: Im Grunde genommen können die Leute nichts dafür, wenn es halt mal weniger sind. Bei dieser Tour jetzt kam es nicht vor, aber wenn das so wäre... Wir fahren dennoch volles Brett.

Matthew: Wenn da Einer steht, der es cool findet, kriegt er die volle Show. Heute zum Beispiel liegt Attila im Moment im Bett, er ist krank und wir sind gespannt, wie lange er durchhält heute. Aber es steht für uns völlig außer Frage, was anderes als die volle Show zu fahren. Das ist so wie das „Wolves Against The World“, dieses Feeling.

Also egal welche Unbill die Welt euch entgegen schleudert...

Matthew: Genau, wir machen weiter!

Wegen dem vielen Touren seit dem Erscheinen des letzten Albums sind vermutlich noch nicht viele Gedanken und Taten in ein nächstes Werk geflossen, oder?

Matthew: Ja, Taten im Moment zugegebenermaßen noch nicht, aber wir sammeln immer mal, auch so unterwegs. Das ergibt sich.

Falk: Da wird das Handy ausgepackt als Diktiergerät und die Melodie reingesungen. Das wird dann nachher konkret in der Phase des Songwritings umgesetzt, und dann ist man manchmal wirklich dankbar, sie irgendwann aufgenommen zu haben. Und das Witzige ist, dass die Melodie, die wir jetzt gerade geschrieben haben, von unserer Crew gepfiffen wird. Das ist immer ein Zeichen, dass die Melodie gut ist. Aber um nochmal auf die Frage einzugehen, konkret werden wir in der zweiten Jahreshälfte daran gehen, neue Songs zu schreiben, und Ende des Jahres, so ist der grobe Plan, ins Studio zu gehen.

Gibt es irgendwen, den ihr gerne mal treffen würdet? Das bezieht sich jetzt nicht rein auf die Metal- oder Musikwelt, könnte auch ein Autor sein oder ein Schauspieler oder irgendeine Sexbombe.

Matthew: Ja ne, die treffen wir ja ständig, die stapeln sich ja im Backstage Raum, das wäre langweilig. Aber gute Frage, hättest du es auf Musik bezogen, hätte ich gesagt King Diamond, aber da du es weiter gefasst hast, müsste ich jetzt erstmal überlegen...

Nach einigen Ablenkungsversuchen einigen wir uns darauf, die Frage zu vertagen, da auch Falk aus dem Stehgreif keine Antwort einfällt.

Letzte Frage, obligatorisch in der ersten Jahreshälfte 2010: Wer wird Weltmeister?

Falk: Oh, verdammt schwere Frage.

Matthew: Attila würde sagen Rumänien, aber ich weiß nicht mal, ob die eine Fußballmannschaft haben.

Das schon, aber sie sind nicht dabei dieses Mal.

Falk: Ich sag jetzt was ganz Schlimmes: England... … … Nee, ich sags nicht, ich sag Deutschland. Ich kann einfach nicht England sagen!

Matthew: Ich bin Fußballunwissender und verlass mich auf seine Aussagen.

Falk: Ich mag Fußball sehr gerne, Deutschland würde ich aus dem Bauch heraus gar nicht so sagen, aber ich kann nicht England sagen. Ich kann einfach nicht England sagen, also bleib ich bei Deutschland.
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