Wir können alles, außer ernst sein


Interview mit Undertow
Modern Metal aus Deutschland - Ellwangen
Nach dem tollen Album „Don’t Pray To The Ashes“ gab es bereits Gesprächsbedarf, aber es hat bis in den Herbst gedauert, bis dieser auch in personam befriedigt werden konnte. Während dem Abendessen nach dem überzeugenden Auftritt zum Start der „Burn To Ashes“ Tour habe ich mit dem gut aufgelegten Bassisten Thomas gesprochen, mit dem man problemlos den ganzen Abend verquatschen kann. Man muss ihn in seinen lebhaften Erzählungen allerdings ab und an ein wenig bremsen, will man auch selbst zu Wort kommen...
Ein paar Abschweifungen sind am Ende dann auch vom Rotstift erwischt worden, um wenigstens ein Mindestmaß an Kompaktheit und Geschlossenheit zu bewahren, und das Thema deutsche HipHop Szene, zu dem Thomas seine Diplomarbeit geschrieben hat, ist meiner kurzen Vorbereitungszeit zum Opfer gefallen. Es gibt also noch reichlich Stoff für ein nächsten Mal.


Fangen wir mit dem Namen an. UNDERTOW (für die Phonetiker: ˈʌndə(r)ˌtəʊ)

UNDERTOW bedeutet Sog oder Strömung, Strudel. Es ist eigentlich eine Strömung. Du hast oben ne ruhige Oberfläche und untendrunter Wasserdruck.

Also sowas wie ein CATARACT, nur unterschwelliger…

Irgendwie, ja. Das Ziel bei dem Namen war damals eigentlich nur, dass es kein Wort ist, das jeder schon im Englischunterricht kennengelernt hat und wo er sofort wusste, was es bedeutet. Und es sollte nicht zu klischeeartig also Dragonhunter oder so sein.

Nichts, was einem sofort ins Gesicht springt.

Und jetzt gibt’s ja diese amerikanische Newcomerband, die ihr zweites Album gleich nach uns benannt hat... Das zweite TOOL Album heißt „Undertow“. De facto haben wir es aus nem Song von „…And Justice For All“. Da singt James irgendwann, „Feel the untertow inside me“. Ich weiß grad nicht, welcher Song es ist. („The Frayed Ends Of Sanity“)

Hat sich die Bedeutung für dich oder für euch verändert über die Zeit? Weil, ich sag mal, 1994 bzw. 1993 als die Band angefangen hat, war ja doch vieles anders als 2010 und auch mit dem Sog kann man heute viele andere Sachen verbinden.

Was wir über die Jahre gelernt haben, ist, dass viele Sachen, die wir uns denken, überhaupt nicht so beim Empfänger ankommen. Wenn du dir die Diskographie anschaust, wir haben eine Zeit lang mit Wortspielen gearbeitet. Da gab‘s das Album Threeforce, schrieb sich „34CE“. Was glaubst du, wie viel tausende Leute gekommen sind und gesagt haben, „Euer Album Vierunddreißig C E find ich voll geil!“ Oder Unite – „Unit E“, Harmony – „Harm On E“. Wobei das auch so eine Spielerei mit unserem Tuning war, weil damals alle schon runtergestimmt hatten und wir hatten immer noch dieses Tuning. Früher so klassische Alben wie „...And Justice For All“, die sind noch auf E getunet. Ist ein klassisches Tuning. Und daher auch „Unit E“, „Harm On E“. Mit UNDERTOW ist es ganz ähnlich, wir haben in der Entstehungsphase, in dem Jahr bevor wir live gespielt haben, mit verschiedenen Namen rumjongliert in der Probe und Schriftzügen tralala. Dann haben wir gesagt UNDERTOW, das funktioniert für uns, das machen wir. Und was glaubst du, wie oft wir in den Ankündigungen Undertown oder Under Toe, also unterm Zeh und son Scheiß, genannt wurden? Das sind Sachen, da denkst du überhaupt nicht dran. Und da würdest du es vielleicht später anders machen, wobei wir den Namen nie bereut haben. Das ist das einzige, was in der Reflektion bei uns anders ankommt, aber ansonsten hat es sich nicht verändert.

Gut, ist ja auch kein Name, der so einer Laune von jungen Burschen entspringt und wo man dann 5 Jahre später denkt: „Oh, wieso haben wir uns nur so genannt?!“

Ja, da sind wir noch ganz gut bedient. Aber zum Beispiel Freunde von uns, die haben vor 4 oder 3 Jahren diesen Nachwuchswettbewerb beim Summer Breeze gewonnen, FUCK YOUR SHADOW FROM BEHIND.

Jetzt DER WEG EINER FREIHEIT.

Genau. Mit denen haben wir jetzt gespielt bei der NEAERA Releaseparty (zum aktuellen Album „Forging The Eclipse“) und da haben die Jungs auch gesagt, „Uns war am Schluss der Bandname so peinlich.“ Ich hab gefragt, „Wieso denn, ist doch völlig genial!“

Bleiben wir bei Namen, das aktuelle Album heißt „Don’t Pray To The Ashes…“ Ich hab im Review geschrieben, kein Nachkarten, oder allgemeiner, nicht zu sehr der Vergangenheit nachhängen bzw. diese nicht zu sehr glorifizieren…

Ja, passt alles supergut. Ist im Endeffekt ein Zitat von Gustav Mahler, der gesagt hat, Tradition ist nicht das Anbeten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme.
(In leicht abgewandelter Form findet man auch einige andere Personen, von denen dieses Zitat angeblich stammt bzw. die es benutzt haben sollen.)

Was jetzt ein bisschen ausgehöhlt worden ist, weil es in dieser einen Werbung immer kommt.

Da haben wir auch gedacht, so nennen wir unser Album und dann machen die da diese Werbung. Nee, aber das Ding ist, in der Metalszene gibt’s ja durchaus konservative Strömungen, nennen wir es mal so. Es gibt Fans, die wollen eigentlich immer wieder das erste Album von ner Band hören. Und die wollen auch keinesfalls, dass die Band, so sie sich denn jemals in irgendwelchen Genregrenzen bewegt hat, diese jemals überschreitet. Es gibt Bands, für die funktioniert das, find ich, was weiß ich: IRON MAIDEN, BAD RELIGION, AC/DC. Die dürfen das, die sollen das. Aber das war noch nie unser Ding. Bis zu nem gewissen Grad ist das sicherlich auch ein Eigentor, weil wir von Anfang an zwischen den Stühlen sitzen, so genremäßig. Du hast das ja heut auch bei der Show gesehen. Wir haben relativ schnelle Thrasher, wir haben viele groovige Sachen und wir haben dann eben auch diese Doom Sachen. Manche Leute haben in Reviews was geschrieben von SOUNDGARDEN, NIRVANA, Grunge oder Alternative. Da kann ich absolut mit leben, aber es mag für viele Leute auch wieder abschreckend sein. Denen gefällt vielleicht der eine Song, weil sie mit Thrashern was anfangen können, die denken dann, was soll jetzt diese Doom Scheiße schon wieder. Also saßen wir immer zwischen den Stühlen, aber wir haben uns irgendwann gesagt, „Hey, wir haben das vom ersten Tag immer nur gemacht, weil wir Bock drauf hatten, Musik zu machen.“ Es ging nie darum, zu sagen, wir wollen nen Deal oder auf dem und dem Festival spielen oder wir wollen mit der und der Band mal auf Tour gehen. Wir haben immer nur gemacht, worauf wir Bock hatten und hatten unserer Meinung nach das Glück, dass es ein paar Leuten gefallen hat, die dann gesagt haben, „Ok, wir signen euch für unser Label.“ oder „Ok, wir buchen euch für die Tour und das Festival.“ Alles geil. Wir haben irgendwann gesagt, wir versuchen erst gar nicht, irgendwelchen Leuten irgendwas nach der Nase zu schreiben. Deshalb „Don’t Pray To The Ashes“

Das nimmt schon ein bisschen was vorweg, was ich noch fragen wollte, aber knüpfen wir bei den Labels an. Es war vorher Silverdust und jetzt Prevision, das sind beides Labels, wo wirklich nur ne Hand voll Bands sind. Ich kann das mit den Angeboten nicht einschätzen, aber ist bewusst so von euch gewählt, damit da eben kein Druck gemacht wird vom Label, sondern damit ihr frei bleibt, in dem wie ihr die Musik gestaltet und wo ihr mitfahrt und nicht mitfahrt?

Das Ding ist, wie ich gerade gesagt hab, wir haben ja nie auf Biegen und Brechen irgendwas versucht zu machen. Den ersten Deal, den wir hatten, das 1. Album „Harmon E“, kam auf Sub Zero Records raus. Das war ein Typ, der hatte ein Studio in der Nachbarstadt von uns und der hatte durch Glück einen ziemlich coolen Vertriebsdeal bekommen mit Warner Chapel damals. Freunde von uns haben bei dem im Studio aufgenommen und hatten irgendwie ein Demo von uns dabei. Dann hat der das gehört und gesagt, „Hey, das ist ja geil, das will ich machen!“ Dann hat er uns gefragt, „Hey, habt ihr nicht Bock bei mir aufzunehmen?“, und er bringt das dann auf seinem Label raus. Die Freunde von uns waren END OF GREEN, bis heute sind sie noch sehr gut befreundet mit uns. Und dann haben wir das gemacht, da hatten wir plötzlich nen Deal, ohne das wir irgendwas verschickt haben oder auf irgendwelche Schreibtische gelegt haben.

So wie sonst Millionensellerstories anfangen…

Haha, klar! Dann hat sich aber rausgestellt, dass der Typ zwar mit seinem Studio ganz gut klar kam, aber nicht mit seinem Business, also im Bezug auf Promotion etc. Das ganze Drumherum hat nicht gepasst. Dann haben wir aber trotzdem bei ihm das nächste Album aufgenommen, weil er hatte ein Studio und wir mussten es halt nicht zahlen. Dann hat er sein Label aber an die Wand gefahren. Danach sind END OF GREEN zu nem neuen Label gegangen, Silverdust Records. Und der Typ stand auch auf uns. So sind wir mit END OF GREEN mit dahin gegangen. Der Typ ist der Achim Ostertag, der das Summer Breeze Festival organisiert. Der hat dann jahrelang unsere CDs rausgebracht. Ich glaube, es waren 4, die er gemacht hat. (fast: „Unit E“, „34CE“ & „Milgram“) Das war für uns immer sehr cool, für ihn auf Dauer dann wohl nicht so cool, weil heutzutage eh schwierig mit CD-Verkäufen Geld zu verdienen ist und nach dem letzten Album, das auch überall wieder sehr gut besprochen wurde, hat er gesagt: „Jungs, wirtschaftlich macht das jetzt für mich keinen Sinn mehr. Ich steh nach wie vor auf euch als Band, ich bin Fan von UNDERTOW, aber lasst uns mal diese Labelgeschichte beenden.“ Und dann haben wir gesagt: „Ok, haben wir halt kein Label, nehmen wir trotzdem ne neue CD auf.“ In dem Studio, wo wir „Milgram“ auch aufgenommen haben, mit dem selben Typen. Wir haben auch wieder das Cover vom gleichen Grafiker machen lassen, also genau das selbe Level, eigentlich ist sogar ein besseres, weil der Typ sein Studio konstant weiterentwickelt.
Plötzlich hat uns dann wieder jemand gefragt, „Wollt ihr nicht bei mir veröffentlichen?“ Wir hatten eigentlich vor - mit den coolen Reviews für „Milgram“, Europatour mit PRO-PAIN, … haben wir ein paar Argumente, die für uns sprechen. Wir kennen schon ein paar Leute, die Band ist nicht so ein totaler Newcomer, wo du alles aufbauen musst, bei den Magazinen haben wir ein paar Leute, von denen wir wissen, dass die auf uns stehen, die also das Album eh besprechen. Und dann kam eben der Robby, also der von Prevision Music, wo wir jetzt unter Vertrag sind, und sagt: „Jungs, das und das kann ich euch anbieten, ich mach coole Promo, lasst uns das machen!“ Und dann haben wir es halt gemacht. Später ruft er mich eines Abends an, ich saß in ner Versammlung - ich bin hauptberuflich Bibliothekar und Volkshochschulleiter - in so nem feierlichen Akt, 20 Jahre VHS Pipapo, und mein Handy, das ich Gott sei Dank auf stumm gestellt hatte, klingelt. Ich seh: Labelboss, Robby, drück es weg und schreib ihm ne SMS: Alter, ich sitz hier in nem wichtigen Ding, ist es was Wichtiges? Er so: „Ach nö, ihr seid im Rock Hard Album des Monats, aber ist nicht wichtig, ich feier dann alleine, tschüss!“ Ich so: „Wie jetzt, will der mich verarschen?“ Ich muss den Scheiß Vortrag aushalten, sitz mitten in so Reihenbestuhlung, kann links und rechts nicht raus, kann dem Vortrag überhaupt nicht mehr zuhören und bin dann raus, hab ihn angerufen und erst mal ins Telefon gebrüllt, dass er mich nicht verarschen soll, und er sagt, nee, das macht er nicht und es stimmt. Insofern, nicht schlecht, wie es gelaufen ist.
So ging es ja dann auch weiter. Wir haben über die Jahre ganz wenige schlechte Reviews gehabt, aller meistens so, dass die uns zumindest ok fanden, Verrisse ganz selten. Wenn, dann nur so Leute, die offensichtlich mit dem Sound nix anfangen können. Und bei „Don’t Pray To The Ashes“ war es jetzt schon fast verdächtig, dieser Chor an Höchstnoten und sehr guten Noten. Teilweise auch so unfassbare Dinger, dass wir die Höchstnote bekommen haben im Allschools, das ja eher so‘n modernes Metalcore Kids Ding ist, und gleichzeitig die Höchstnote im Heavys Printmag, was ja irgendwie son Classic Metal Ding ist, wo wir also sonst immer nur so mittelprächtig ausgesehen haben. Ich hab gedacht, verarscht mich doch nicht. Gleich weckt mich jemand oder sagt, hier da ist die Kamera…

Hat sich das auch sofort danach niedergeschlagen in den Albumzahlen, also den Verkaufszahlen?

Hmm, das lässt sich heutzutage schwer sagen. Es gibt ja keine Instanz, die dir sagt, das hättet ihr verkauft, wenn ihr nicht Album des Monats gewesen wärt.

Das nicht, aber du weißt ja, wie viel ihr vom Album davor verkauft habt und…

Wir haben jetzt schon, und das Album ist noch kein Jahr draußen, fast das doppelte verkauft von „Milgram“. Aber immer noch lächerlich wenig, im Vergleich zu anderen Bands oder im Vergleich zu früheren Zeiten. Ich weiß nicht, kennst du EXHORDER? EXHORDER waren ja damals bei Roadrunner und wenn ichs richtig in Erinnerung hab, wurden die damals gedroppt, weil sie nur 15.000 Einheiten verkauft haben in Europa. Von der letzten EXHORDER („The Law“). Jedes Label würde sich heute die Finger lecken nach 15.000 Einheiten in Europa. Heut chartest du, wenn du nach ner Woche 2.500 CDs verkauft hast, da chartest du irgendwie auf 80 oder so.

Ist die Band als Haupthobby heutzutage, wenn man keinen Trends folgt, quasi der einzige Weg, wie man es noch machen kann? Ich denke, dass es vor 15, 20, 25 Jahren einfacher war und die Leute auch eher den Schritt gewagt haben, alles hinter sich zu lassen und auf die Karte Band zu setzen.

Ob wir mehr Aussichten hätten, wenn wir auf Trends setzen würden?

Ist das heute der einzige Weg, wenn man das machen will, was man selber spielen will?

Nee, würd ich nicht sagen. Sehr gutes Beispiel, nimm VOLBEAT. Die haben das Demo, ich kannte die schon zu Demozeiten, an alle möglichen Labels geschickt. Das lag bei Metal Blade, Nuclear Blast, Century Media, Warner. Alle haben gesagt: „Nee, das machen wir nicht!“ Ich dachte nur, Leute, das ist das geilste, was ich seit Jahren gehört habt! Das ist was eigenes, das ist supergeil, warum signt das niemand? Dann hats Mascot gemacht, ein kleines holländisches Label, und, wie geil, die Jungs gehen ab wie Rakete. Und ich weiß noch, 2006, wo unser letztes Album rauskam, „Milgram“, da haben VOLBEAT noch vor uns gespielt beim Summer Breeze Festival. Und jetzt headlinen die so Sachen wie Rock im Park oder so. Und es ist saugeil. Und, die haben auch nicht vergessen, dass wir uns mal sehr gut verstanden haben. Auf dem zweiten Album („Rock The Rebel / Metal The Devil“) hat der Gitarrist auf dem Bandfoto hinten ein UNDERTOW T-Shirt an.

Die ersten beiden Alben fand ich super, danach hat meine Begeisterung ein wenig nachgelassen. Zu viel Rockabilly, zu wenig Punch.

Hm, das Problem ist, dass du eben diese ersten Alben kennst. Wenn du die nicht kennen würdest und die neue VOLBEAT hören würdest, würdest du denken, endlich nochmal ein geiles Album. Du bist halt das gewohnt von denen. Und das sind die anderen Bands, und wenn die dann abliefern, bist du enttäuscht, weil du das kennst. Das ist das Problem. Immer noch ne saugeile Band. Und ich freu mich für die.

Bei allen Bildern, die ich von euch kenne, seht ihr immer total normal aus. So wie auch eben beim Auftritt und wie der normale Fan zum Konzert kommt, während gerade hier, du hast den Namen eben selbst noch genannt, bei END OF GREEN der Michelle Darkness immer sehr zurecht gemacht ist auf den Fotos. In meinen Gedanken vorher hab ich es damit verbunden, dass man euch ja auch nirgendwo einsortieren kann und deswegen lauft ihr auch rum wie ganz normale Leute. Also quasi eine symmetrische Beziehung.

Ja, ich denke, das ist auch wieder Teil unseres Problems. Ich denke, manche Leute, die da unten stehen vor der Bühne, wollen eine Inszenierung. Die wollen bei bösen Bands, dass die Nagelarmbänder anhaben, diese Boots anhaben und irgendwelche Nieten am Körper haben. Ist auch ok, ich steh teilweise auch auf solche Bands, aber in den seltensten Fällen gehört die Kulisse zum Theaterstück für mich dazu. Ok, so Bands wie SLIPKNOT, KISS oder MARYLIN MANSON, da gehört die Inszenierung, da gehört der Showeffekt dazu.

Da wär auch sonst zum Teil die Musik recht dünn.

Aber wir sind auch mit Bands aufgewachsen oder haben mit Bands angefangen, die in Shirt und ihren Stretch Jeans - die ich nie getragen hab! - auf die Bühne gegangen sind und dann eben „...And Justice For All“ gespielt haben. Wir haben uns nie darüber Gedanken gemacht, wir hätten das vielleicht machen sollen. Vielleicht hätten wir das machen sollen. Dann würden wir jetzt vielleicht von denen (Er hält eine Softdrinkflasche hoch.) gesponsert werden. Vielleicht ist das wieder Teil des Problems, dieses zwischen den Stühlen. Bei uns gehörte das Äußere nie dazu. Was wir auf der Bühne anhaben, ist nur ausgewählt, weil es praktisch ist. Wir haben kurze Hosen an, weil wir uns sonst völlig nass… Also wir haben uns heute auch so völlig nassgemacht. Wenn ich mir da jetzt noch irgendwelche Fantasiekostüme überwerfen müsste, würde ich ja völlig zerlaufen.

Aber wenn du wieder sagst, „ist Teil des Problems“: Seid ihr denn unzufrieden?

Nö, überhaupt nicht, aber wenn du andere Bands siehst, die eben Massen von Kids ziehen... Wie gesagt, ich glaub, es gibt Leute, die wollen, dass sich Sänger auf der Bühne blöd aufführen, diese platten Sprüche wie „Köln, seid ihr gut drauf?“ oder sowas. Wenn unser Sänger sowas sagen würde, hätte er wahrscheinlich meinen Fuß bis zum Knie im Arsch. Wir haben uns darüber nie Gedanken gemacht, es ist nun mal so. Vielleicht hätte es was gebracht, sich geile Pseudonyme auszudenken und sich Kajal unter die Augen zu schmieren. Wir lieben END OF GREEN, aber es war halt nie unser Ding. Wobei die Jungs auch privat so rumrennen, auch beim Einkaufen. Dann hat er halt seine Nägel lackiert und diese Gothic Klamotten.

Bei den vielen Tour- und Konzertpartnern, mit denen ihr jetzt schon unterwegs wart, das sind ja wirklich einige und aus allen möglichen Genres (von CROWBAR über END OF GREEN bis HACKNEYED und viele viele mehr). Kannst du sagen, bei der und der Band ist die Crowd sehr empfänglich für das, was wir machen, und bei der und der findet die Crowd oder große Teile von ihr uns immer blöd?

Das ist schwierig zu sagen. Das würde ich jetzt gar nicht auf irgendwelche Supportshows reduzieren. Das haben wir schon so oft festgestellt, dass du irgendwo Shows spielst, richtig weit fährst und du bist vielleicht auch Headliner und da sind so 80 Leute in dem Schuppen, es ist ganz cool und schön gemütlich und die stehen alle 2m vor der Bühne, haben die Arme verschränkt. Du denkst: „Boah, die hassen dich.“ Also die haben echt keinen Spaß, und dann rennen sie dich nachher tot, kaufen dir das ganze Merch weg, klopfen dir auf die Schulter und sagen, „Hier unterschreib mir das.“ Und dann spielst du andere Shows, die Leute werfen sich voll durcheinander und gehen voll ab, und du stehst nachher beim Merch und verkaufst nix. Ich persönlich genieß es immer, wenn wir mit Bands spielen, die eigentlich wenig Schnittmenge mit uns haben. Deshalb find ich die Tour mit HACKNEYED auch so geil, weil das ja ganz anderes Kino ist.
Deswegen fand ich es letzte Woche auch so cool, dass wir bei NEAERA auf der Releaseparty gespielt haben. Da war es auch so. Der Schuppen war rappelvoll und wir waren direkter Support, also haben direkt vor NEAERA gespielt, und in den ersten vier bis fünf Reihen vorne war richtig Bewegung und dahinter und zwischen den Songs wurde immer ordentlich applaudiert und so. Ich war mir nicht so sicher, ob die das jetzt alle cool fanden oder ob es denen draußen nur zu kalt war. Aber danach sind ganz viele gekommen und haben gesagt, „Boah, wie geil wart ihr denn, ich kannte euch vorher gar nicht.“ Einer hat sogar gesagt, er hat bei MySpace nach UNDERTOW gesucht und kam dann zu ner ganz anderen Band, gibt ja diverse Bands, die UNDERTOW heißen… Er meinte, „Boah, da waren 2 Songs im Player und die waren beide Scheiße“, und er dachte, ja gut, holt er sich halt ein Bier bei der Show und war dann ganz überrascht und fragte, „Habt ihr andere Songs gespielt, als bei euch im Player sind?“ Ich so, „Nee, nee, nee, wir haben bestimmt 6 Songs im Player, wir sind das nicht.“ Und das finde ich saugeil.
Ich überleg grad, ob wir mit irgendeiner Band als Support mal richtig zu knabbern hatten. Als wir vor vier Jahren diese PRO-PAIN Tour gespielt haben, waren viele osteuropäische Shows dabei. Das war schon sehr cool, weil was uns motiviert sind ja die Sachen, wenn wir irgendwo spielen, wo wir noch nie gespielt haben und am besten auch Länder, wo man vielleicht noch nicht war. Und jetzt war es so mit PRO-PAIN, die Jungs waren auch supercool, aber da waren in Osteuropa, wenn ich zum Beispiel an die Show in Pilsen denke, so 400-500 Leute, und die waren halt wirklich nur wegen PRO-PAIN da. Die waren dann auch wirklich fünf Meter weg von der Bühne, als wir gespielt haben, und wir haben danach vielleicht drei, vier, fünf Shirts verkauft und ein paar CDs. Die haben uns nicht angespuckt oder so, aber das ist, wie wenn du bei SLAYER Vorgruppe bist. Sehr fanatisches PRO-PAIN Publikum, und da hatten wir halt nicht viel Sonne, aber trotzdem auf der Tour viel Spaß. Also ich hab mir vor der Tour ein bisschen Sorgen gemacht, weil wir nicht mit unserem Drummer unterwegs waren, weil er Lehrer ist und nicht einfach so Urlaub nehmen konnte. Das Label hat aber zurecht gesagt, „Hey Jungs, wenn man so ne Tour angeboten bekommt, dann spielt man die auch“, ist wichtig für die Promo und so. Dann haben wir nen Ersatzdrummer eingelernt für die Tour und hatten auch echt Spaß. Aber wir hatten vorher ein paar Geschichten über PRO-PAIN gehört, und die Jungs sehen ja jetzt auch nicht grad so aus, als hätte man die jetzt gerne als Nachbarn oder so. Aber es waren, ich würd jetzt nicht sagen Kuschelbären, aber wir hatten echt viel Spaß. Und die haben auch alle Kinder und es war cool.

Als moderne, aufgeschlossene und in viele Richtungen denkende Menschen in einer Metalband - ihr habt Links auf der Homepage von Attac bis Peta, kommt aber aus dem tiefsten CDU-Land und wenn man da einen Blick auf die Wikiseiten der Orte wirft, fällt einem auf, dass fast nur Kirchen bei den Sehenswürdigkeiten aufgeführt sind. Ist das vielleicht besonders guter Nährboden für eine Metalband, wenn man aus einem tiefschwarzen, erzkonservativen Land kommt, für vermeintlich rebellische Musik oder spielt das keine Rolle, auch weil man im täglichen Leben ständig in Kontakt mit den Leuten ist und keine Probleme mit ihnen hat?

Also wir waren nie ne politische Band, wir sind alles politische Menschen…

Es geht nicht darum, was ihr mit der Band ausdrücken wollt, sondern eher um die Grundsituation. Wenn ich die Links auf der Homepage anschaue, sehe ich, dass ihr euch interessiert, aber du hast dich damit arrangiert, weil du in der Gegend aufgewachsen bist und du die Leute kennst?

Ja, natürlich. Viele Leute von der, sagen wir mal, gesetzten Generation sind natürlich urschwarz in dem Land, aber das hat vielleicht auch was mit dem Status Quo zu tun. Es ist eins der zwei produktivsten Bundesländer Deutschlands, Wirtschaft steht da eben ganz oben. Und wart mal die nächsten Landtagswahlen ab im März. Ich weiß nicht, ob das bei euch auch auf den Titelseiten war, da war so ein Bild von ner Demo, Stuttgart21, da hielt jemand ein riesiges Transparent hoch, auf dem stand: „Stellt euch vor, es ist Wahl, und wir gehen hin!“ Fand ich voll der Hammer, hängt an meinem Kühlschrank, hab ich ausgeschnitten.

Ok, nach so vielen ernsten Themen, kommen wir mal zu etwas lockererem. Der beste und der schlimmste Schwabenwitz, den du kennst?

Ich kenn überhaupt keinen, Witze sind bei mir… Ich hab ein großes Problem, ich kann mir eigentlich jeden Scheiß merken. Es ist schwierig, zum Beispiel als ich an der Uni war, da hatte man so Fächer, wo man von vorneherein wusste, das brauchst du nie in deinem Leben. Und wenn du es brauchst, dann lernst du es und dann kannst du es. Aber das Zeug hast du dir dann kurz vor der Prüfung - ich glaube, 3 Tage vorher ist so ideal - in dein Kurzzeitgedächtnis reingeschoben und in dem Moment, wo du abgegeben hast, wurde dieser Speicher wieder völlig freigegeben. Und so ist das scheinbar bei mir mit Witzen. Ich kann mir immer maximal einen Witz merken und mir würd jetzt überhaupt kein Schwabenwitz einfallen. Das einzige, was mir sofort einfällt, ist dieser Slogan, „Wir können alles, außer hochdeutsch.“ Wobei, bei mir ist es grad andersrum, ich kann alles außer Schwäbisch, weil meine Eltern nicht von da sind, mein Vater ist aus Hamburg und meine Mutter aus Oberschlesien. Bei mir wurde daheim sehr drauf geachtet, dass ich Hochdeutsch rede, weil meine Eltern gedacht haben, und vielleicht auch Recht hatten damit, dass ich es in der Schule dann leichter hätte. Was aber zur Folge hatte, dass ich in der Grundschule echt der Arsch war, weil alle gedacht haben, ich bin irgendwie so ein arroganter Besserwisser, der sich absetzen möchte von dem niederen Dialektvolk, und es war halt überhaupt nicht so. Ich konnt‘s halt nicht und ich kann es bis heute nicht.

Du hast den Slogan eben schon genannt. Wie ist denn deine Version? Baden-Württemberg, wir können alles außer…

Ja, Hochdeutsch kommt wahrscheinlich schon hin. Oder stimmige Bahnprojekte auf den Weg bringen. Nee, Baden-Württemberg… Hey, ich bin richtig happy in der Gegend, wo ich wohne. Wobei ich mir früher, als ich auf der Schule war, gedacht hab – was wahrscheinlich viele Leute denken -, dass ich mal rausgehe, und ein Jahr nach Australien gehe oder nach Neuseeland oder so. Nun ist bei mir alles anders gelaufen und ich könnte mir aber auch super vorstellen, mal ein Jahr in ner Großstadt zu leben oder überhaupt mal in ner Großstadt zu leben. Ich hab viele Freunde, die in Großstädten wohnen, und ich fühl mich da wohl, ich find das echt cool. Aber meine Umstände, sowohl mit der Band als auch Beziehung und jetzt Kids und auch Job haben mich eigentlich immer darin bestärkt, da zu bleiben, wo ich bin. Ich bin happy da, wobei ich das jetzt nicht groß in Richtung Heimat interpretieren würde. Es ist nicht so, dass ich sagen würde, hier ist mein Herd, hier muss ich sein.

Bauen wir noch ein bisschen den Slogan aus. (Deutsche) Metalszene, wir können alles außer…

Ich hab das vorhin bei „Don’t Pray To The Ashes“ schon gesagt. Ich hab manchmal so ein bisschen dieses Scheuklappengefühl beim Metal, nicht zu weit in die Richtung und die Richtung. Traditionell so.

Hardcoreszene, wir können alles außer...

Ja, die Hardcoreszene… So geil ich das streckenweise und viele Bands auch finde, die tun sich, denk ich, schwer mit ihren eigenen Maximen. Da ist das Unity Ding und dieses „Wir sind ja so tolerant“, und dann geht es im Endeffekt doch wieder, „Oh, du hast die falsche Frisur und du hast die falschen Turnschuhe an“, und sowas. Und da kann ich ja überhaupt nicht drauf. Aber es gibt saugeile Bands in dem Genre, was hab ich Spaß gehabt mit SICK OF IT ALL, mit SNAPCASE…

Und dann gehst du aufs Konzert, hast sofort nen Fuß in der Fresse und musst ins Krankenhaus oder so.

Ja, das find ich schon albern, diese Pizzabäcker Windmühlentypen, Voll Hardcore. Aber, jedem das seine.

Hip Hop Szene, wir können alles außer…

Schwulen- und Frauenfreundlichkeit. Hehe. Es gibt ja viele, bei denen das angeblich dazu gehört, mit den Homosexuellen und dem Frauenbild.

UNDERTOW, wir können alles, außer...

Ernst sein. Das Ding ist ja, die Musik, die wir machen…

Das überrascht mich, ich find die Musik total ernst.

Ja, das ist ja das Ding. Für Außenstehende oder Leute, die nix mit Metal zu tun haben, ist das ja total hart und böse und was weiß ich, aber im Endeffekt, sobald wir ins Auto steigen und losfahren, sind wir die ganze Zeit nur am Witze reißen und uns am totlachen. Das ist ja auch das Kontrastprogramm zu unserem anderen Leben. Also, ich meine, ich hab nen Traumjob, und ich glaube, dass wir alle in der Band das Glück haben, dass wir einen Beruf im eigentlichen Sinne des Wortes machen, also dass wir uns berufen fühlen, das zu machen. Ich verdien zwar total Scheiße für vier Jahre Studium, aber ich muss nicht kotzen, wenn morgens mein Wecker klingelt. Und Joschi ist mit Absicht Pfleger in einer psychiatrischen Station, der ist nicht da, weil es grad der einzige Bereich in der Klinik war, wo’s zu der Zeit nen Job hatte, sondern der will da arbeiten. Und unser Drummer ist auch mit Absicht Lehrer an einer Brennpunktschule, wo es 90% Migranten hat.
Und deswegen ist das so: UNDERTOW, wir können alles, außer ernst sein.

(Bild 3 v.l.n.r.: Drummer Rainer, Sänger & Gitarrist Joschi, Bassist Tom.)
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