Vielleicht werde ich einfach alt


Interview mit Killswitch Engage
Metalcore aus USA - Boston
Einen Vollprofi wie Adam Dutkiewicz, der außer der Gitarre bei KILLSWITCH ENGAGE ebenso bereits den Produzentensessel bei KSE, SHADOWS FALL, UNEARTH und AS I LAY DYING in Beschlag genommen hat, bringt nichts so schnell aus der Ruhe – neben dem Interviewer trifft das auch auf alle möglichen Kleinigkeiten des Alltags zu. Und obwohl Adam innerlich die Ruhe selbst ist, hat man während dem Gespräch doch den Eindruck, einen Bruder der Unruhe im Sinne von Hasan „Schläft mit dem Finger in der Steckdose“ Salihamidžic vor sich zu haben: Bereits in den Laufklamotten für eine anschließende Runde am Rhein gestikuliert, grimassiert und lacht er sich durch die gute Viertelstunde, stürzt nebenbei einen Liter (Brand-)Wasser hinunter und antwortet dennoch dermaßen wie aus der Pistole geschossen, dass man manchmal fast schon zu überrascht zum Nachfragen ist.

Vergleicht man die Band zu der Zeit, als Jesse sich erstmals verabschiedet hat, mit der Band von heute nach seinem Wiedereinstieg: Wie siehst du euch persönlich?

Wir sind älter und deshalb erwachsener, irgendwie… Zudem sind wir wohl etwas besser an den Instrumenten, weil wir das jetzt seit 13 Jahren machen und erfahrener geworden sind. Auf jeden Fall ist Jesse reifer geworden und hat seine Stimme jetzt besser im Griff. Er achtet auf sein „Instrument“.

Damals war alles gut und jetzt ist alles gut.

Ja, es ist immer alles gut, weil wir das Glück haben, das hier machen zu können.

Immer positiv denken.

Ja, das muss man. Negativität bringt dich nirgendwohin.

Trifft meine Lesart zu, dass einige der Texte sich auf die Band beziehen oder eine enge Verbindung zur Band haben?

Nicht notwendigerweise. Auf dem Album sind nicht nur Songs über die Band oder Jesses Rückkehr. Es gibt viele positive wie negative Sachen auf der Platte, bei den Themen.

Aber es liegt nah, eine Zeile wie „We are alive and our time has come for a new awakening“ (aus “The New Awakening”) auf die Band zu beziehen.

Ich verstehe, wie du auf den Gedanken kommst, aber ich weiß, dass speziell dieser Song nicht mit diesen Hintergedanken geschrieben wurde.

Er endet mit dem Satz „I’ld rather burn out than fade away“. Wie verhindert man das langsame aus den Köpfen Verschwinden als Band oder als Musiker?

Ich glaube, dass das für einen Musiker oder auch eine Band nicht zu vermeiden ist. Du kannst nicht für immer weitermachen, keiner kann das. Wenn wir am Ende etwas Bleibendes hinterlassen haben und eine der Bands sind, an die man sich für immer erinnert, wäre das der Wahnsinn, aber gerade im Moment sind wir einfach nur Leute, die jeden Tag das machen, was sie lieben.
Der Satz, den du zitiert hast, stammt aus einer Unterhaltung zwischen mir und Jesse. Es ging darum, das Leben so gut man kann zu genießen, sich an den positiven Dingen in deinem Leben zu erfreuen, sie nicht zu vergessen, sondern sie festzuhalten. Tapp nicht in Fallen, wie es vielen Menschen passiert, die sich von Negativem zu sehr gefangen nehmen lassen.

Was ich mich schon lange gefragt habe: Du bist ein Hansdampf in allen Gassen…
(Nach dem englischen Ausdruck „jack of all trades“ unterbricht Adam mich mit einem lachenden „And master of none!“, was sich nicht wirklich übersetzen lässt.)
Woher nimmst du all die Energie und Inspiration?


Bei den Instrumenten ist das seltsam, denn immer wenn ich etwas Neues spielen will, höre ich mir die Bands an, die Musik, die einzelnen Teile und will sie dann unbedingt lernen… Ich bin Autodidakt bei allen Instrumente, die ich spiele. Ich liebe es, Sachen herauszuhören und dann auszutüfteln, wie sie in den Liedern funktionieren.

Aber nimmst du dir nicht mal ein paar Wochen oder gar Monate Auszeit pro Jahr, um deine Energietanks wieder aufzuladen, weil das ganze Touren mit KILLSWITCH ENGAGE und das Produzieren anderer Bands in den KSE-Pausen doch sicher sehr erschöpfend ist?

In letzter Zeit habe ich mir ein wenig mehr Auszeit gegönnt. Sonst habe ich mich immer in Arbeit, Arbeit, Arbeit gestürzt, die ganze Zeit Musik, Musik, Musik. Mittlerweile aber… Vielleicht werde ich einfach alt, denn mir gefallen andere Sachen mittlerweile ebenso sehr. Ich bin sehr gerne draußen, gleich gehe ich auch noch eine Runde laufen. Ich liebe den Geruch frischer Luft, in der Sonne zu sein, Sport – auch Sport schauen. Ich werde älter, aber Musik ist meine wahre Leidenschaft und das meiste, was ich mache, wird deshalb immer damit zu tun haben.

Frischluft ist wahrscheinlich so gegensätzlich wie es geht im Vergleich zum Tourbus…

Haha, ja, ganz genau. Ich kann Tourbusse nicht leiden. Definitiv die europäischen nicht, weil ich da noch nicht mal aufrecht stehen kann, ich muss mich die ganze Zeit ducken. Die amerikanischen Busse haben nur eine Etage, deshalb kann ich da stehen.

Lässt du dich auch mal von etwas anderem als Musik inspirieren?

Wenn ich draußen bin, die Natur! Und Stimmungen. Ich neige dazu, ständig Musik zu schreiben, auch wenn ich gerade kein Instrument halte.

Also weniger andere menschliche Kunstwerke, sondern eher die Kunstwerke von Mutter Natur?

Doch schon, im Grunde beeinflusst dich alles, das irgendeine Wirkung in deinem Leben hat, das dich etwas fühlen lässt.

Du hast schon gesagt, dass ihr reifer und erwachsener geworden seid. Wie wird man erwachsener, ohne langweilig zu werden?

Solange du dich selbst nicht zu ernst nimmst - und das mache ich sicher nicht, hahaha! Ich finde es in Ordnung, sich von Zeit zu Zeit unreif zu benehmen. Reif zu sein bedeutet auch, dass man weiß, wann es in Ordnung ist, unreif zu sein, und wann man sich zusammenreißen und wie ein Mensch benehmen muss.

Keine Streitereien um Kleinigkeiten zum Beispiel.

Ja, Kleinigkeiten sind mir so oder so egal.

Vergleiche ich die zweite „Killswitch Engage“ und „Daylight Dies“ mit dem neuen Album, sind zwar alle Alben sehr kompakt, was die Songlängen betrifft, aber das neue ist etwas dreckiger, kantiger. Zum Teil liegt das an Jesse, aber „Disarm The Decent“ klingt auch nicht so poliert.

Ja, Jesse ist etwas leidenschaftlicher. Er schmeißt sich in seine Parts.

“The End Of Heartache“ würde ich jetzt auch nicht poliert nennen, nur die zwei Scheiben danach. Hast du etwas bei der Produktion geändert?

Bei der neuen Platte? Um ehrlich zu sein: Überhaupt nicht. Aber ich habe meine Herangehensweise an das Songwriting geändert. Hauptsächlich weil, wie du gesagt hast, die letzte Platte mit Howard zu sauber war und nicht genug Kanten hatte. Deshalb habe ich aufregendere, treibendere Songs für diese Platte geschrieben, schnellere Tempi, mehr Gitarren.

Ich hatte hohe Erwartungen, auch wegen der letzten SHADOWS FALL Platte „Fire From The Sky“, die du produziert hast und die wieder mehr Kanten und Schmutz hatte, den ich bei ihren letzten Alben vermisst hatte.
Wonach wählst du deine immer wieder unterhaltsamen Bühnenklamotten aus?


Das hängt davon ab, wie viel Bier ich an dem Tag getrunken habe.

Du hast also eine Kiste mit weniger und mehr verrückten Klamotten?

Nein! Üblicherweise sammeln sich die Sachen im Laufe einer Tour an, so dass ich gen Ende einigen ziemlich guten Kram habe. Bei dieser Tour habe ich einige gute Hüte, das war’s auch schon.

Und zu Hause einen gewaltigen Keller, wo du die ganzen Sachen aufhebst?

Hahaha, nein. Wir behalten die Sachen nie lange, weil sie schnell ziemlich übel riechen. Ich schwitze ziemlich viel…

Gibt es etwas, das dich wirklich wütend macht?

Ja, es gibt eine Menge, was mich richtig wütend macht. Engstirnige Menschen, ignorante Menschen, egoistische Menschen. Leute, denen andere Menschen scheinbar nicht bewusst sind. Unsensible Menschen.

Wirst du oft wütend?

Nicht sehr oft. Wenn sich jemand wie ein Idiot aufführt, ja… Aber ich bin kein sehr wütender Mensch.

Was hältst du davon, wenn man dir den Beinamen „Gestalter/Former des Sounds des modernen amerikanischen Metal“ gibt, weil du so viele der größeren Bands produziert hast. Neben KILLSWITCH ENGAGE ja unter anderem auch AS I LAY DYING, UNEARTH…

Ich mag es, Platten zu machen, und ich mag es, Musik zu machen. Ich finde nicht, dass ich für das Formen oder Gestalten von irgendetwas verantwortlich bin. Ich helfe anderen Bands gerne und finde es belohnend, Musik zu machen. Ich liebe es.

Du würdest also auch eine Tampa Death Metal Band oder eine klassische Heavy Metal Band produzieren?

Sehr gerne!

Wenn also jemand mit dir arbeiten will, soll er einfach anrufen…

Yeah!

Kommen wir langsam zum Ende und zwei Fragen, die ich dir für andere Leute stellen soll: Was ist dein liebster Song von DIO?
(Die Frage hat auch damit zu tun, dass KSE “Holy Diver“ ziemlich schmissig gecovert haben.)


Ich mag “Rainbow In The Dark“ sehr.

Hörst du überhaupt heroischen Metal?

Nicht wirklich. Joel (Stroetzel, der andere Gitarrist) ist unser Mann dafür. Er mag eine Menge Bands wie HAMMERFALL.

Du magst es lieber moderner oder andere Genres?

Zuletzt haben es mir grindigere Sachen angetan. Ich liebe DECAPITATED, dann habe ich viel CANNIBAL CORPSE gehört in der letzten Zeit. Außerdem habe ich gerade die neue CATTLE DECAPITATION bekommen. Diese Art von grindig…

Grindig und ziemlich wütend. Vielleicht bist du deshalb so ein lockerer Typ.

Und sanftmütig, ja, hahaha. Aber gut möglich.

Und dann soll ich dich noch fragen, ob du schon den dritten Iron Man Film gesehen hast?

Nein. Ich schaue mir nicht viele Filme an, vielleicht sollte ich das.

Wie verbringst du dann die Zeit auf Tour, Schlafen und Trinken?

Laufen, viel Laufen. Und dann sehe ich mir eher TV-Serien als Filme an, ich mag eine Menge Comedy, zum Beispiel It’s Always Sunny In Philadelphia, das ist eine verdammt lustige Sendung. Auf dieser Tour auch Aqua Teen Hunger Force, so richtig alberne Sachen.

Ich danke dir für das Gespräch, Adam.

(Bild 1 vlnr: Justin Foley, Joel Stroetzel, Adam Dutkiewicz, Mike D'Antonio, Jesse Leach)
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