Massentauglichkeit war nie ein Ziel von uns


Interview mit Dark Tranquillity
Melodic Death Metal aus Schweden - Göteborg
Bald ist es soweit, der neueste Streich des schwedischen Melodic Death Urgesteins DARK TRANQUILLITY wird auf die gespannte Menschheit losgelassen. „Character“ heißt das gute Teil und sorgte bisher für außerordentliche Begeisterung. Zeit für ein kleines Gespräch mit Niklas Sundin, seines Zeichens Gitarrist der Band.

Hallo Niklas. Erzähl uns doch mal als kleine Einführung, was ihr denn in den 2 Jahren seit dem Release von “Damage Done” so getan habt!


Tja, da gab es natürlich die üblichen Touren quer durch Europa und die Staaten. Dann haben wir noch die DVD aufgenommen und die „Exposures“ Compilation fertiggestellt. Und natürlich haben wir viel Zeit mit dem Schreiben und Aufnehmen des neuen Albums verbracht.

Wiederum habt ihr euch für eure Aufnahmen das Studio Fredman und den Produzenten Fredrik Nordström ausgesucht. Wolltet ihr das Gewinnerteam nicht auswechseln oder hattet ihr etwa Angst davor, einen etwas anderen Sound zu erhalten?

Vielleicht ist das Wort „Produzent“ ein wenig irreführend. Im Grunde hilft uns Fredrik damit, den bestmöglichsten Sound zu bekommen, aber er hatte nie Einfluss auf irgendwelche Arrangements oder so, wie es vielleicht heutzutage der Begriff „Produzent“ vermuten lässt. Die komplette Musik ist zu 100% fertig, wenn wir ins Studio gehen. Es gibt also nicht wirklich viel zu produzieren, da wir ja bereits unsere Songs bis ins Detail durchgeplant haben. Wir favorisieren das Studio Fredman deswegen, weil wir zum einen wissen, dass wir dort einen großartigen Sound bekommen und weil es außerdem sehr bequem für uns ist. Von unserem Wohnort können wir quasi zu Fuß dorthin gehen, und wir haben eigentlich keine Lust, extra einen Monat wegzufahren, nur um ein Album aufzunehmen.

Die Promotion spricht immer davon, dass „Character“ ein Mix aus alten „The Gallery“-Zeiten und dem aktuellen „Damage Done“-Stil wäre. Hattet ihr dass im Hinterkopf, als ihr die neuen Songs geschrieben habt?.

Wir hatten eigentlich gar nichts konkretes im Kopf, wir haben einfach ein wenig mit den Riffs und den Ideen in unseren Köpfen experimentiert, ohne genau zu wissen, wohin uns das alles führen wird. Letztendlich wurde es dann ein Mix aus alten und neuen Einflüssen, aber das war etwas ganz natürliches ohne irgendein festes Konzept dahinter. Wenn wir mit dem Komponieren von neuen Songs anfangen, ist es eigentlich immer so, dass wir nie vorher wissen, wie das Endresultat ausfallen wird.

Nach den melodischen und eingängigen Songs von „Damage Done“ ist das neue Album deutlich unzugänglicher als sein Vorgänger. Auch die Vocals scheinen rauer und aggressiver zu sein. Der Zuhörer muss schon sehr genau hinhören, um die Seele der einzelnen Songs erkennen zu können. Wollt ihr genau dies mit „Character“ ausdrücken? Dass man stets unter die Oberfläche schauen soll?

Genau, gut beobachtet. In „Character“ geht es darum, in den Geist einzudringen und verschiedene Verhaltensweisen zu suchen und zu entdecken. Also hauptsächlich darum, die äußere Schale zu durchbrechen. Und hoffentlich zeigt sich das auch in der Musik.

Das Album-Cover zeigt einige futuristische Gebäude, die ziemlich dreckig, kalt, mechanisch und unmenschlich wirken. Ist das eure Vision von unserer Zukunft?

Tja, entweder das oder einfach ein großes, feuriges Chaos. Wir werden sehn, was passiert.

Ihr habt euch zum ersten Mal dazu entschieden, mit “Lost To Apathy” eine Single zu veröffentlichen. Was unterscheidet diesen Song von den anderen?

Eigentlich waren wir uns gar nicht einig, welchen Song wir für die Single und das Video nehmen sollten. Jedes Bandmitglied hatte seine eigene Meinung, so dass wir am Ende Century Media einen Song auswählen ließen, und sie haben sich für „Lost To Apathy“ entschieden. Es ist eine gute Wahl, da es wohl der einprägsamste Titel auf dem Album ist. Auf „Character“ sollte das ganze Album und der Gesamteindruck wichtiger als die einzelnen Songs an sich werden, wir wollten einfach keine offensichtlichen Highlights auf dem Album haben. Und das machte es selbst für die Plattenfirma sehr schwer, eine Auswahl zu treffen.

Man merkt, dass ihr in den neuen Songs weitaus mehr Keyboard- und elektronische Elemente verwendet. Wie wichtig sind diese für euch?

Absolut wichtig. Und Martin Brändström hat sich diesmal wirklich selbst übertroffen. Er bringt einen ganz anderen musikalischen Background mit und kommt somit auf Ideen, die einem normalen Metal-Keyboarder niemals einfallen würden.

Würdest du mir zustimmen, dass ihr mittlerweile eure experimentelle Phase überwunden und letztendlich einen Stil gefunden habt, mit dem sich alle Bandmitglieder anfreunden können? Oder ist es zukünftig möglich, von euch etwas komplett anderes und unerwartetes zu bekommen?

Ich bin mir sicher, dass das nächste Release ganz anders ausfallen wird, da noch ein Album in diesem Stil einfach nicht funktionieren würde. Wir planen nie groß im Voraus und haben auch keine großen Band-Meetings, in denen wir unsere zukünftige Entwicklung diskutieren. Wir beginnen einfach mit dem Schreiben von neuen Songs, ohne vorher zu wissen, ob es jetzt ein Grindcore oder Akustik-Album wird.

Wenn du auf eure Diskographie zurückblickst, welches Album gefällt dir da am besten und welches ist deiner Meinung nach das schwächste? Bitte sei ehrlich!

Schwierige Frage. Mir sind die alten Alben eigentlich ziemlich egal. Ich mag sie als das was sie sind, aber ich hör sie eigentlich nicht, wenn es nicht unbedingt sein muss. Und auf keinen Fall versuche ich sie zu analysieren. Jedes Release dokumentiert unsere Ziele und Ambitionen zur damaligen Zeit, und deshalb ist es für mich einfach nicht möglich sie miteinander zu vergleichen. Sie haben alle ihre guten und schlechten Seiten, aber eine endgültige Entscheidung kann ich so nicht abgeben. Unsere Gedanken unterschieden sich beispielsweise bei “Projector” und „The Gallery“ total voneinander, so dass es für einen Vergleich eigentlich keine Grundlage gibt.

Sicherlich bekommt ihr oft Fragen über eure Beziehung zu In Flames zu hören. Ich hoffe, ihr habt Verständnis dafür, dass man es einfach von mir erwartet, euch dazu zu befragen. Was denkt ihr denn über deren musikalische Entwicklung? Mögt ihr denn ihr letztes Album?

Auf jeden Fall. Ich war schon immer ein großer In Flames-Fan und sie verdienen Respekt dafür, dass sie genau das tun, was sie mit ihrer Musik erreichen wollen.

Seid ihr nicht ein wenig neidisch, dass sie mehr Alben als ihr verkaufen?

Nicht wirklich. Massentauglichkeit war nie ein Ziel von uns. Wenn es unsere Absicht gewesen wäre, unbedingt mehr CDs zu verkaufen, hätten wir einfach jedes Tourangebot annehmen können, das wir bekommen haben. In Flames haben hart für ihren Erfolg gearbeitet und sie verdienen jedes Stück davon. Aber ich würde nicht mit ihnen tauschen wollen, da ich einfach keine Lust dazu habe, als Vollzeitmusiker 7-8 Monate im Jahr auf Tour zu gehen. Es gab jede Menge Dinge, die wir im Laufe der Jahre hätten tun können, um Dark Tranquillity bekannter zu machen, aber das stand für uns nie im Vordergrund.

Was erwartest du von der kommenden Tour mit Kreator? Wollt ihr nun auch den Thrash Sektor erobern?

Wir fühlen uns einfach sehr geehrt, mit einer unserer Lieblingsbands spielen zu können. Hoffentlich lockt Kreator auch ein paar Old-School-Fans an, die vielleicht von unserer Musik noch nichts gehört haben. Aber hauptsächlich erwarten wir eine Killer-Tour für jeden Beteiligten.

Zuletzt eine nicht ganz ernst gemeinte Frage. Natürlich will ich nicht hoffen, dass das jemals passiert, aber was würdest du machen, wenn du (vielleicht durch einen Unfall) plötzlich taub werden würdest?

Mann, es ist echt hart, nur darüber nachzudenken. Ich wär wohl lieber taub statt blind, aber dennoch klingt das fast wie ein Todesurteil. Ich vermute, dass man so etwas akzeptieren und damit zu leben lernen muss, aber ich würde auf jeden Fall versuchen, weiterhin Musik zu machen.

Ok, das war’s auch schon, danke für deine Antworten. Wie üblich ist hier noch ein wenig Platz für deine letzten Worte.

Danke für das Interview. Wie sehen uns auf der Tour!
-