Fear Factory & Neaera

Fear Factory & Neaera

Fear FactoryNeaera
Köln, Essigfabrik
07.03.2010
Nachdem man sich im Hause Bloodchamber schon länger auf einen Besuch bei den wieder erstarkten Schwergewichten FEAR FACTORY eingerichtet hatte, wurde die Vorfreude wenige Wochen vor dem Konzert noch größer als die seit Monaten in bestechender Form auftretenden NEAERA als Support bestätigt worden waren. Dementsprechend freudig wurden die stählernen Kutschen angeworfen und ins eisige Köln gelenkt, wo die Essigfabrik schon vor Konzertbeginn sehr gut gefüllt ist. Der Name FEAR FACTORY klingt offensichtlich noch – oder wieder – gut für die rheinische Metalfraktion.

Ein Altersschnitt, der deutlich über dem bei ihren Konzerten sonst üblichen liegt, kann die mittlerweile mit fast allen Wassern gewaschenen Münsteraner nicht aus der Ruhe bringen, und so stürzen NEAERA sich mit breitem Grinsen und einer Menge Spaßhummeln im Hintern in das kurze, aber knackige Set. Trotz der relativ bescheidenen Lautstärke spürt man die brachiale Wucht, die in Krachern wie „Spearheading The Spawn“ oder „I Loathe“ steckt und selbst wenn es nur zu kleinen Piteruptionen kommt, wird das mitsamt der Qualität der Lieder vom Großteil des Publikums zurecht mit viel Applaus bedacht. Etwas befremdlich wirkt die ausgeprägte Freundlichkeit und der wiederholte Dank an das Publikum, wenn man als Vergleich den Wahnsinn heranzieht, der bei reinem NEAERA Publikum während der Lieder los ist, aber vielleicht freuen sich die Jungs einfach so über das volle Haus, das sie beklatscht, und die Gelegenheit mit einem Quartett von lebenden Legenden unterwegs zu sein. Als nach sieben Liedern artig Schluss gemacht wird, hört man einige Stimmen, die offenbar positiv überrascht davon sind, dass moderne Musik nicht automatisch doof sein muss. Ein treffenderer Beleg für die Livequalitäten von NEAERA ward kaum je gehört. [mba]

Gegen 21:00 eröffnet anschließend die neueste FEAR FACTORY Version um die Herren Bell und Cazares ihren Set mit dem Titelstück des neuen Albums „Mechanize“. Der Sound ist leider immer noch eher mäßig und vor allem erstaunlich leise (!), die Reaktionen im Publikum dagegen sind nun endlich so, wie sie sein sollten. Spätestens bei den folgenden Klassikern „Shock“ und „Edgecrusher“ geht die Essigfabrik nämlich amtlich steil auf die einst innovative Metal Legende und treibt sowohl den Stimmungs- als auch den Temperaturpegel deutlich nach oben. Ebenso „fett“ wie die Mucke, die da aus den Boxen quillt, sind übrigens 3 der 4 Herren, die auf der Bühne ordentlich Alarm machen. Dass Gitarrenmops Cazares das eine oder andere Kilo auf die Waage bringt, ist nichts Neues; dass aber auch Basser Byron Stroud und Drumtier Gene Hoglan (lt Cobra aussehend wie Jabba the Hutt mit dem Kopf von SODOM-Bobby) öfters bei Ulla Popken einkaufen, war mir gar nicht so bewusst. Dafür wirkt die walzende Performance der Saitenschwinger aber auch umso mächtiger, weshalb Blickfang Burton C. Bell dazwischen schon fast ein wenig untergeht. Dabei ist er heute erstaunlich gut bei Stimme; speziell die schwierigen cleanen Passagen meistert er ohne Probleme. Zu dem durch die Halle wabernden Wörtchen „Playback“ möchte ich aber hier keine Stellung beziehen.
Abgesehen von den Soundproblemen und der recht unspektakulären Lightshow krankt der reguläre Set leider auch ein wenig daran, dass es sich – abgesehen von den drei Ausnahmen „Martyr“, „Acres Of Skin“ und „Linchpin“ – um ein Best Of des neuen Albums und „Obsolete“ handelt. Dass es mit Cazares keine Songs von „Transgression“ geben würde, darf zwar klar als Plus gewertet werden, das komplette Ignorieren von „Archetype“ hinterlässt aber schon einen schalen Nachgeschmack, schließlich hat die Scheibe grandiose Liveknaller wie z.B. „Cyberwaste“ zu bieten.
Der ausschließlich aus „Demanufacture“ Songs bestehende Zugabenblock ist natürlich gigantisch, allerdings wäre es für meine Begriffe doch schlauer gewesen, das eine oder andere Highlight schon vorab einzustreuen. Naja, egal, die letzte halbe Stunde entschädigt jedenfalls für vieles und bringt die Halle abschließend noch mal ordentlich zum Kochen.
Letztendlich geht der Abend nach einer für FEAR FACTORY Verhältnisse mehr als üppigen Spielzeit von ca. 100 Minuten also absolut versöhnlich zu Ende, auch wenn die erste Stunde so ein bisschen was von „Warten auf Godot“ hatte. Das Fehlen von „Pisschrist“ ist aber dennoch ein Skandal und hat mich persönlich schwer getroffen. Gemeinheit!
[mh]


Setlist FEAR FACTORY:

Mechanize
Shock
Edgecrusher
Smasher/Devourer
Industrial Discipline
Acres Of Skin
Linchpin
Powershifter
Fear Campaign
Martyr
Christploitation
Resurrection
Final Exit
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Demanufacture
Self Bias Resistor
Zero Signal
H-K (Hunter Killer)
Replica
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