Firewind & Leaves' Eyes

Firewind & Leaves' Eyes

FirewindLeaves' Eyes
Köln, Underground
04.10.2012
Der Herbst hat begonnen und damit ist auch die Zeit der Giganto-Open Airs vorerst wieder vorbei. Endlich darf man sich wieder gepflegt in die Clubs quetschen oder, wie heute, gesittet nebeneinander stehen, denn die vielleicht 150 Nasen - Voldemort hat sich nicht blicken lassen - bilden zwar einen kunterbunten Altersmischmasch, reichen aber natürlich nicht, um das Underground zu füllen. Positiv daran ist offensichtlich, dass man sich jederzeit fast überall hin bewegen kann, und auch die Bands sollten nicht zu enttäuscht sein, denn wie so oft, wenn es in Köln melodischer wird, will jeder, der heute gekommen ist, die Bands wirklich sehen, so dass die Thekenkräfte eine ruhigere Kugel schieben können als die nebenan einen Spieltag austragende Kickerliga Köln.

Die im Vorfeld versprochenen vollen Sets beider Bands bedeuten am Ende zwar einen deutlichen Spielzeitunterschied, vom Zuspruch her schenken sich beide aber nichts, so dass bereits LEAVES‘ EYES sehr gut empfangen werden, was der überaus charmant wirkenden Liv Kristine ein Lächeln ins Gesicht zaubert und ihre Redefreude bestärkt. Musikgerecht gewandet mit kleiner Corsage singt sie von fernen Landen, breitet die Schwingen aus oder lässt die Arme wandeln und ist trotz dieser leichten Entrücktheit vom Gefühl her doch eher die nahbare Gastgeberin eines gemütlichen Abends unter Freunden. Deshalb sieht man es ihr auch gerne nach, dass die Bandeinspielungen (vor allem Keyboard) und ihr Gesang anfangs doch reichlich laut sind. Als Ehe- und ATROCITY-Frontmann Alex Krull dazustößt und ein bisschen Groll in die bunte LEAVES‘ EYES Welt bringt, kommt ein wenig mehr Schwung in die Bude, obwohl die überschaubar große Bühne jetzt so ausgefüllt ist, dass die drei Saitenschwinger ziemlich an ihre Positionen gebunden sind.
Das gegenseitige Anschmachten des (Gesangs-)Paars geht mir auf die Dauer eine Spur zu weit, auch wenn es zur Musik passt. Einzig wenn Alex in einem stampfigen Lied das Ruder übernimmt, wirkt das nicht wie eine neue Facette sondern gleich wie eine andere Band, auch weil er im Vergleich zur grazilen Liv Anfeuerungen eher auf Berserkerlevel einfordert. Nachdem ich die vom Nachgrunzen von Livs Zeilenenden in „My Destiny“ geweckten Erinnerungen an CREMATORY und 90er Eurodance abgeschüttelt habe, wird der Technikaussetzer zu Beginn der in Coverform gegossenen Liebe zu den 80ern (Mike Oldfields „To France“) von Liv kurzerhand zum Omen für den Weltuntergang umgedeutet. Dementsprechend legen LEAVES‘ EYES und Fans sich zum Abschluss nochmal richtig ins Zeug, so dass man die Stunde Spielzeit auf jeden Fall als gelungene Abendunterhaltung im Gedächtnis behält.

Im Gegensatz zum letzten Jahr gibt es dieses Mal die vollständigen FIREWIND, auch wenn Kurzzeitdrummer Michael Ehré bekanntlich schon wieder weg ist und von Johan Nunez (NIGHTRAGE) ersetzt wurde, der durch sein jugendliches Aussehen und die Längsbalkenfrisur gleich doppelt auffällt bei der vor dem Schlagzeug gesetzteren und deutlich haarigeren Band. Und der Unterschied zum Auftritt vor einem Jahr ist deutlich zu spüren, denn der etatmäßige Sänger Apollo lässt sich nicht so leicht von dem Wirbelwind wegfegen, den Gus G. und Bob Katsionis veranstalten – selbst wenn er zur besseren Belüftung das Hemd ein wenig geöffnet hat…
Obwohl die Tour im Zeichen des neuen Albums „Few Against Many“ steht, präsentiert sich die Setlist erfreulich gemischt, selbst wenn ich mir ein oder zwei Lieder mehr vom fantastischen „Days Of Defiance“ gewünscht hätte, doch bei dem mittlerweile auf sieben (ausnahmslos starken) Alben angewachsenen Backkatalog ist es auch in den etwa 90 Minuten unmöglich, alle Wünsche zu erfüllen. Vom Beginn mit „Wall Of Sound“ an brennen FIREWIND ein Spektakel der Power Metal-Extraklasse ab, dem derzeit kaum eine andere (europäische) Band dieses Genres gewachsen ist. Das liegt nicht nur an der großen spielerischen Klasse der Musiker - besonders Apollo überrascht mit einigen, sowohl vom Klang wie vom Volumen nah an Dio gebauten Melodien -, sondern ebenso daran, dass die Musiker gleichzeitig sich und ihre Musik ernst nehmen, dabei den Spaß aber nie außer Acht lassen. Neben Honigkuchenpferd Petros Christo ist das herausragendes Beispiel dafür Keyboarder und zweiter Gitarrist Bob Katsionis, der mehrmals mit der einen Hand die Saiten und gleichzeitig mit der anderen die Tasten bearbeitet. Noch mehr Vergnügen als das (heute vergleichsweise kurze) Instrumentalduell mit Gus bereitet ihm sein Plektrum, dass er beim Simultanspielen zwischen den Lippen aufbewahrt, um es bei der Konzentration auf die Gitarre hoch in die Luft spucken zu können und dann in einer flüssigen Bewegung das Auffangen mit dem wieder an die Gitarre greifen zu verbinden. Das damit verbundene Grinsen muss man gesehen haben!
Stimmungstechnisch der große Gewinner der regulären Setlist ist „Destination Forever“ vom zehn Jahre alten Debüt, das mit Apollos Stimme mitreißend wärmer und nicht so ruppig klingt wie damals mit Stephen Fredrick und nach Kräften vom Publikum mitgesungen wird. Dieses meldet sich auch deutlich zu Wort, als nach „Tyranny“ Schluss sein soll, und die Herren Musiker lassen sich nur ein bisschen von den abwechselnden „Zugabe“ und „FIREWIND“-Rufen bitten, bis sie zurückkommen. Nachdem die auf dieser Tour allabendliche Gitarrenverlosung eine leicht irritiert wirkende, junge Dame „beglückt“ hat, geht es mit Schwung in den Endspurt, der versüßt wird von einem „Breaking The Silence“ Duett mit Liv Kristine.
So sieht ein sehr gelungener Abend aus!
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