Testament - Dark Roots Of Earth

Testament - Dark Roots Of Earth
Thrash Metal
erschienen am 27.07.2012 bei Nuclear Blast
dauert 76:14 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Rise Up
2. Native Blood
3. Dark Roots Of The Earth
4. True American Hate
5. A Day In The Death
6. Cold Embrace
7. Man Kills Mankind
8. Throne Of Thorns
9. Last Stand For Independence
10. Dragon Attack (QUEEN Cover)
11. Animal Magnetism (SCORPIONS Cover)
12. Powerslave (IRON MAIDEN Cover)
13. Throne Of Thorns (Extended)

Die Bloodchamber meint:

Willkommen auf der dunklen Seite der Realität.
Willkommen auf der realen Seite der Dunkelheit.
Willkommen im Thrash-Orkan „Dark Roots Of Earth“!

Vier lange Jahre sind seit dem schnaubenden Biest „The Formation Of Damnation“ vergangen, mit dem sich TESTAMENT nach einer schwierigen Zeit nachhaltig zurückmeldeten und auf ganzer Linie überzeugen konnten (wenn man bei der diskussionswürdigen Produktion ein Auge zudrückt). In der Zeit bis zum neuen Album mussten die Urgesteine des Thrash der zweiten Generation den verletzungsbedingten Abschied von Paul Bostaph verkraften, konnten mit Krakenmann Gene Hoglan aber einen absolut würdigen Ersatz finden. Bedenkt man, dass in den 26 Jahren Bandgeschichte insgesamt schon elf (!) verschiedene Leute live und/oder auf Alben auf dem Drumhocker gesessen haben und Gene bereits das 1997er Werk „Demonic“ eingetrommelt hat, sollte diese Umstellung für die vier alten Bandhasen Greg Christian, Alex Skolnick, Eric Peterson und Chuck Billy allerdings eine Kleinigkeit gewesen sein.

Die Frage, die das aufwirft, ist aber natürlich, was ein Donnerwetter auf zehn Beinen wie TESTAMENT macht, wenn zwei davon „The Atomic Clock“ gehören? Es spielt - nicht zum ersten Mal in seiner Geschichte - mit den Erwartungen und nimmt statt einer weiteren Enzyklopädie der Dampframmen ein vielseitiges, abwechslungsreiches und überraschend tief(gründig)es Album auf. Denn neben den perfekt koordinierten gitarrenlastigen Hochgeschwindigkeitsattacken wird nicht nur mit gewaltigem Schub gegroovt, zum allerersten Mal gibt es auch Blast Beats („Native Blood“ & „True American Hate“), eine ziemlich aus dem Rahmen fallende Ballade („Cold Embrace“) und einige Ausflüge in die bedeutungsschwanger wirkende Epik („Dark Roots Of Earth“ oder „Throne Of Thorns“).
Auf diese abenteuerliche Reise durch diverse, textlich fixierte menschliche Abgründe lässt man sich beim Hören schnell und gerne ein, zumal die Entschädigung für kleine Längen, wie im Verlauf von „A Day In The Death“, zwischen stark und grandios ausfällt. Wenn in „Man Kills Mankind“ Zeilen zum Mitsingen und –machen ins Hirn springen, bewegt sich das im sehr guten, doch vorerst nicht weiter weltbewegenden Bereich. Die Übergänge, die Riffs und das Wesen von „Native Blood“, in dem Sänger Chuck Billy seine indianische Herkunft thematisiert (was Decibel & Aardschok zu Häuptlingsgefieder-Covern animiert hat…), und der gewaltige Hassnagel, den „True American Hate“ dem Hörer ins Hirn pflanzt, kombinieren dagegen in beiden Fällen ergreifende Schönheit und knallharte Brutalität zu Kunstwerken, die größer als die Summe ihrer Teile sind.
Das, liebe Freunde, ist Thrash Metal at its best!

Und im Gegensatz zu „The Formation Of Damnation“ wird die Musik von der Produktion unterstützt, weil diese eben nicht nur maximal brachial ausgefallen ist, sondern auch eine Menge Wärme besitzt, was vor allem der atemberaubenden Performance von Chuck Billy zu Gute kommt, der begnadet röhrt, brüllt und singt (!).

„Dark Roots Of Earth“ ist eine bis ins Mark ernsthafte Platte und erweist damit nicht nur ihrer Qualität wegen dem (Wesen des) Thrash Metal alle Ehre. Gleichzeitig bewirkt die Qualität und die Dynamik, die eben auch zum Thrash gehört, dass man beim Genießen des Albums nicht grimmig mit Weltuntergangsmiene vor der Anlage sitzt, sondern dermaßen mit Energie vollgepumpt wird, dass man am liebsten sofort einen Baum in Stücke reißen würde und es vermutlich auch könnte.
Die zu Unrecht oft unter Wert gehandelte Band setzt sich mit „Dark Roots Of Earth“ mit einem Knall, der auf der ganzen Welt vernommen werden wird, zumindest albumtechnisch an die Spitze des amerikanischen Thrash. Spätestens wenn TESTAMENT in naher Zukunft noch lernen respektive beweisen, dass sie sich live auch nur annähernd so gut verkaufen können wie OVERKILL, wird ihnen ein großer Teil der Metalwelt mit Fug und Recht zu Füßen liegen, selbst wenn eine solche Geste der Demut eigentlich nicht besonders Thrash Metal-mäßig ist.


Wer die Wahl hat, sollte übrigens zur Limited Edition greifen, weil drei der vier Bonustracks sehr unterhaltsame Cover sind, die die Mehrkosten alleine rechtfertigen und denen das TESTAMENT-Gewand durchaus steht: „Powerslave“ von IRON MAIDEN, QUEENs „Dragon Attack“ und das für SCORPIONS-Verhältnisse ungewöhnlich psychedelische, nahezu doomige „Animal Magnetism“.
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