Neaera - Let The Tempest Come

Neaera - Let The Tempest Come
Death Metal / Metalcore
erschienen am 07.04.2006 bei Metal Blade Records
dauert 50:35 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Mechanisms of Standstill
2. Let The Tempest Come
3. Plagueheritage
4. God-Forsaken Soil
5. Heavenhell
6. Desecrators
7. The Crimson Void
8. I Love The World
9. Paradigm Lost
10. Life Damages The Living
11. Scars of Gray

Die Bloodchamber meint:

Ein großer Rhetoriker unserer Zeit behauptete in seinem Kommentar zur letzten Scheibe von NEAERA:
„Hier entwickelt sich etwas ganz Großes!“
Und großkotzig wie ich bin, gebe ich mir jetzt einfach mal Recht! Das Debütalbum „The Rising Tide of Oblivion“ hat die junge Band vom Unbekanntenstatus binnen weniger Monate an die Spitze der deutschen Metalszene gehievt. Dass hier keine Deppenparade aufläuft, wird dem Hörer schon bei der Frage nach dem Genre bewusst. Metalcore? Death Metal? Melodic Deathcore? Irgendwie passt alles und irgendwie auch nicht! Und genau dort liegt die Stärke der Band, denn sie haben das geschafft, was heutzutage kaum jemandem mehr gelingt: sie klingen anders, frisch, unverbraucht, neu! Einfach wie NEAERA!

Seit dem Debüt ist beinahe auf den Tag genau ein Jahr vergangen und mit „Let The Tempest Come“ wartet nun der nächste Moshbolzen darauf, sein Publikum begeistern zu dürfen. Das Album ist insgesamt etwas düsterer ausgefallen, cleane Vocals sucht man vergeblich, die Melodien sind eine Spur göteborglastiger ausgefallen, die Moshparts prägen das Album immer noch, sind aber nicht mehr so alltäglich, wie bei dem Vorgänger. Der Fünfer hat sich konsequent weiterentwickelt und betritt nun etwas todesbleihaltigere Gefilde. Folglich haben die Death-Growls an Masse und Intensität zugenommen, befinden sich aber immer noch im angenehmen Wechselspiel mit den Neaera-typischen Kreichvocals Benjamin Hillekes. An seinen fast an Black Metal Vocals erinnernden Schreiattacken hat der Fronter durchaus gearbeitet. Sicher ist das Ganze noch immer nicht jedermanns Sache, wer sich aber bereits auf dem Debüt hat anstecken lassen, wird auch nun begeistert sein. Die Produktion von Jacob Hansen ist sehr druckvoll ausgefallen und verleiht dem Album einen weiteren Pluspunkt.

Insgesamt braucht das neue Album etwas länger, um sich im Gehörgang zu etablieren. Allerdings zündet das Teil dann umso mehr! „Mechanisms of Standstill“ legt gleich mal los wie die Feuerwehr und macht von Anfang an klar, dass NEAERA auf diesem Album für eine dunkle Stimmung sorgen wollen. „Let The Tempest Come“ beginnt recht corelastig und haut am Ende eine Melodie raus, bei der alten IN FLAMES Jüngern ein Lusttröpfchen entweichen könnte. Mit „Plagueheritage“ folgt gleich darauf ein weiteres Highlight. Der Wechsel zwischen ultraschnellem Blastdrumming und beklemmender Atmosphäre geht tief unter die Haut!
Und auch wenn das hier einer bedingungslosen Lobhudelei gleichkommt: Song Nummer 4 ist wieder ein absolut empfehlenswertes Stück. Dank der Gastvocals von END OF DAYS Gröhlchaot Kevin Otto knallt auch dieser Titel wie eine Toilettenbegehung nach dem Konsum von drei Litern Bohnensuppe. „Heavenhell“ beginnt ruhiger und mündet in eine nette Melo-Death Hymne, die mich bei den Vocals ein wenig an CALLENISH CIRCLE erinnert. „Desecrators“ macht sich wiederum auf den Weg in härtere Gefilde, die bei „The Crimson Void“ entgültig erreicht werden. Der Titel ist der Aggressionshammer schlechthin! Auch bei „I Love the World“ wird vor allem das Ende für fliegende Fetzen im Pit sorgen.

Ein wenig Asche auf das beweihräucherte NEAERA-Haupt gibt es bei den letzten drei Titeln. Die harten Stücke „Paradigm Lost“ und „Scars of Gray” können nicht ganz das Niveau der Vorgänger halten und bringen nicht mehr das gewisse Etwas. Das ruhige Akustikstück „Life Damages the Living“ hätte man sich meiner Meinung nach auch sparen können. Nicht jedes Album brauch ein erholsames Geklimper zwischendurch, vor allem wenn es auch noch recht nichtssagend daher kommt. Außerdem wirkt die Streichelorgie an dieser Position des Albums reichlich überflüssig. Das wurde auf dem Vorgänger (als Intro bei „From Grief...to Oblivion“ und als Rausschmeißer „The Last Silence“) noch besser in Szene gesetzt.

Alles in Allem ist „Let The Tempest Come“ ein mehr als würdiger Nachfolger geworden, der die Band in diesem Jahr wohl noch weiter ins Rampenlicht bringen wird und mit Sicherheit auch Freunde in der traditionellen Death Metal Landschaft finden wird. Ich bleibe bei meiner Behauptung, dass „sich hier etwas ganz Großes entwickelt!“ Das Dritte Album bringt die Entscheidung und vielleicht auch die 10 Punkte...
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