The Ocean - Heliocentric

The Ocean - Heliocentric
Progressive Metal
erschienen am 16.04.2010 bei Metal Blade Records
dauert 50:36 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Shamayim
2. Firmament
3. The First Commandment Of The Luminaries
4. Ptolemy Was Wrong
5. Metaphysics Of The Hangman
6. Catharsis Of A Heretic
7. Swallowed By The Earth
8. Epiphany
9. The Origin Of Species
10. The Origin Of God

Die Bloodchamber meint:

Stürmisch geht es zu auf den musikalischen Weltmeeren. THE OCEAN stehen seit jeher für die Vertonung dieser Aufgewühltheit und Ruppigkeit und legen nun mit "Heliocentric" ihr neues Album vor. Dies ist ein Zeugnis des Wandels und Selbstfindungsphase in den letzten Jahren. Man hat seinen Stammhafen "Oceanland" verlassen, bzw. musste ihn aufgeben, und schippert nun mit einer festen Belegschaft übers Wasser, anstatt auf das Kommen und Gehen des sogenannten Kollektivs zu vertrauen. Die auffälligste personelle Änderung fand auf dem vakanten Sängerposten statt, mit Loïc Rossetti hat man nun einen sehr variablen und stimmgewaltigen Frontmann an Bord.

Konzeptionell gehen THE OCEAN anno 2010 auch keine Kompromisse ein und liefern einen geschichtlichen Abriss über die Entwicklung des heliozentrischen Weltbildes (das besagt, dass die Erde sich um die Sonne dreht und nicht, wie lange angenommen, anders herum) und seine Auswirkungen auf die Menschheit und deren religiösen Glauben. Im Herbst dieses Jahres bekommt "Heliocentric" einen musikalischen Bruder namens "Anthropocentric", in dem es inhaltlich um das Selbstverständnis des Menschen geht, sich selbst als Mittelpunkt der weltlichen Realität zu sehen.

Neben den epischen Ausmaßen des textlichen Überbaus haben sich THE OCEAN durch ihre ausufernden, düsteren, mit heftigen Death-Eruptionen versehenen Klangbildern einen beachtliche Fanschar aufgebaut. Diese dürfte nach dem erstmaligen Konsum von „Heliocentric“ durchaus verwirrt vor der Anlage sitzen, die veränderten Rahmenbedingungen haben durchaus Spuren hinterlassen und zeigen umso deutlicher die Experimentierfreudigkeit der Berliner auf. Stilistisch bewegt man sich nach wie vor im Bermuda-Dreieck aus Postcore mit progressiven Anleihen und den aggressiven, überfallartig vorgetragenen Ausbrüchen in bester Death-Metal-Manier. Jedoch klingt "Heliocentric" wesentlich aufgeräumter als all seine Vorgänger. Vorbei sind die Zeiten, in denen jede Millisekunde vor Ideen platzte und man auch beim x-ten Durchlauf im überbordenden und manchmal den Hörer überfordernden Gesamtbild stets neue Kleinigkeiten entdecken konnte. Die Songs sind reduzierter und weniger fordernd. Die harten Kontraste sind verschwunden, THE OCEAN klingen ruhiger, in sich ruhender und nicht mehr so unausgeglichen wie auf früheren Alben. Damit schränken sie sich jedoch auch stark ein, war dieses heftige Wechselspiel doch eines ihrer Trademarks.

Bedingt durch den Neuzugang am Mikrofon werden den klaren Gesangs-Passagen mehr Raum als je zuvor eingeräumt. Loïc Rossetti agiert dabei auf einem sehr hohen Niveau und eröffnet THE OCEAN durch sein Organ neue Möglichkeiten, jedoch vermisse ich die aggressiven Untertöne und Ausbrüche eines Mike Pilat. Damit hier aber kein Missverständnis aufkommt, zu jeder Zeit hört man den Songs an, dass sie aus der Feder von Robin Staps stammen und eindeutig in das Repertoire von THE OCEAN und die von ihnen geschaffene Nische gehören. Gerade das Eröffnungsdoppel "Firmament" und "The First Commandment Of The Luminaries" präsentiert die volle Blüte ihres Könnens, bestechen durch dynamische und wandlungsfähige Parts und eine luftige Atmosphäre. Mit der Ballade "Ptolemy Was Wrong" und den kurzen Einschüben "Catharsis Of A Heretic" und "Epiphany" haben THE OCEAN jedoch auch richtige Stinker auf das Album gepackt, die trotz diverser Klassik-Einsprengsel nicht zu überzeugen wissen, den Albumfluss stören und mitunter gähnende Langeweile verbreiten. Gerade im Mittelteil von "Heliocentric" fehlt meines Erachtens die richtige Würze, wo sind die großen Ideen, das Visionäre, was THE OCEAN bisher auszeichnete? Erst gegen Ende, mit den beiden abschließenden Nummern, wird die Schlagzahl nochmal erhöht und man nähert sich bereits erklommenen Gipfeln, ohne sie jedoch wirklich zu erreichen.

Mit "Heliocentric" liefern THE OCEAN ein sehr zwiespältiges Album ab. Sie beweisen Mut zur Veränderung und präsentieren uns während den knapp 50 Minuten ihre wohl zerbrechlichste und ruhigste Seite. Man wird jedoch das Gefühl nicht los, dass ein großer Klotz auf der kreativen Bremse liegt, zu sehr gehemmt wird das Gesamtwerk, zu wenig rufen die Hauptstädter ihr volles Potential ab. THE OCEAN beweisen nach wie vor, das sie Könner sind, vergessen es jedoch leider, dies auf der vollen Distanz abzurufen und das Album auf das Niveau zu heben, das man von ihnen gewohnt ist. Interessant ist "Heliocentric", nur in zu vielen Momenten leider auch zu beliebig. Es bleibt zu hoffen, dass "Heliocentric" als Zwischenschritt in der Band-Entwicklung zu werten ist, und man auf den folgenden Werken wieder die geballte Ladung THE OCEAN um die Ohren geblasen bekommt. Man darf also gespannt gen Herbst blicken, denn dann erscheint mit "Anthropocentric" der nächste Opus aus ihrer Klangschmiede.
-