An den Mauern Jerichos


Interview mit Stormwarrior
Power Metal aus Deutschland - Hamburg
Wer kennt nicht das Problem? Man sitzt vor einem Bericht wie der sprichwörtliche Ochse vorm Berg, ohne dass einem eine ordentliche Einleitung einfallen will. Ein Phänomen, das schon in frühester Schulzeit so einige Deutschaufsätze sabotiert hat. Genau so geht es mir hier gerade, so dass diese Einleitung, die eigentlich keine ist, eben als Einleitung herhalten muß. Von daher schalten wir sofort nach Hamburg, wo Lars Ramcke darauf wartet, uns einige schlaue Antworten auf lustige Fragen zu geben…

Hallo Jungs! Ihr wart letztens in Japan unterwegs und habt uns von dort ein nettes Souvenir namens „At Foreign Shores“ mitgebracht. Ein kleiner Kritikpunkt direkt zu Beginn: Ihr habt 2 formidable Full-Lenght-Scheiben draußen, trotzdem hat es „nur“ zu einer 45 minütigen Live-Scheibe gereicht. Hättet ihr da nicht noch ein bisschen mehr draufpacken können?


Moin! Leider nicht, da wir nicht mehr gespielt haben. Wir hatten bei allen Gigs eine Spielzeit von einer halben Stunde und ein paar Songs musst du halt überall spielen, also war nicht viel mit Set-Rotation. Abgesehen davon kommen auch dieser Tage noch Alben raus mit weitaus geringerer Spielzeit!

Die CD klingt sehr roh, aber dennoch druckvoll, vor allem die Live-Atmosphäre wurde sehr gut eingefangen. Musste viel nachbearbeitet werden, oder habt ihr alles so gelassen wie es war?

Naja, ein paar Sachen haben wir auch ausgebessert, finde ich auch nicht weiter schlimm (ist ja kein Bootleg); ansonsten haben wir uns beim Mixen viel Zeit genommen, um den Sound livemäßig ziemlich weit nach vorne zu bekommen. Bei einer Liveaufnahme hast du natürlich trotzdem immer noch einen etwas anderen Sound auf Band, als er wirklich vor Ort in der Halle war. Da muß man dann versuchen, ein paar Sachen nachzubasteln. Außerdem sind die Signale natürlich auch immer etwas unterschiedlich von Spielort zu Spielort, also muss man da auch ein bißchen dran schrauben, damit alles relativ aus einem Guß erscheint und als Livealbum gut anhörbar ist.

Japan stellt für wohl die meisten unserer Leser ein recht utopisches Land voller Verrücktheiten dar. Bitte erzählt doch mal, wie euch das Land gefallen hat! Welche seltsamen und komischen Vorkommnisse gab es während der Tour?

Das fing schon an, als wir am Flughafen in Osaka in den Bus steigen wollten, uns erstmal das Gepäck halbwegs aus den Händen gerissen wurde und keiner von uns wusste, was das jetzt wieder zu bedeuten hätte. Kann ja keiner ahnen, dass das einer von den Busfahrern war, der unsere Gepäckstücke lieber selber einladen wollte. Es wollte uns auch niemand von den Einheimischen glauben, dass die Erde sich ständig bewegt und die Gebäude wackeln. „Nee nee, ihr habt nur zu viel getrunken“, wurde immer behauptet, aber da hat wirklich alles gewackelt, auch als wir mal nüchtern waren...
Aber sonst war alles super. Ist natürlich auch ein ziemlicher Kulturschock, wenn plötzlich die ganze Gesellschaft sehr höflich und zuvorkommend ist. Das ist man ja hier in Europa oftmals etwas anders gewohnt.

An welchen Orten in Japan habt ihr überall gespielt? Sind japanische Metalfans noch immer so ruhig und höflich während den Shows? Oder hat sich diesbezüglich einiges geändert?

Wir waren in Osaka, Nagoya, und dann waren zwei Shows in Tokyo angesagt. Gut, ich weiß jetzt nicht genau, wie’s in den 80ern war, aber so in etwa kommt das wohl hin. Ich würde allerdings sagen, dass sie wesentlich mehr abgehen, wenn man sich ihnen direkt zuwendet als z.B. die Leute hier in Deutschland. Vor allem hätte ich nie damit gerechnet, dass die auch ne Vorband so abfeiern würden.

Legen wir mal wieder die weite Strecke zwischen Japan und dem Norden Deutschlands zurück. Wie geht es nach der Veröffentlichung von „At Foreign Shores“ weiter? Habt ihr schon neue Songs in der Hinterhand, die darauf warten, endlich aufgenommen zu werden? Schließlich liegt der Release des letzten Albums nun auch schon wieder 2 Jahre zurück. Oder ist die Live-CD nun das Album, das den 2-Jahres-Zyklus weiter führen soll?

Wir sind gerade mitten beim Songschreiben. Der Plan ist, bis Ende des Jahres alles als Vorproduktion fertig zu haben, so dass wir ab Januar mit der eigentlichen Produktion loslegen können, das nächste Album dann vor Sommer 2007 rauskommt und wir ordentlich Festivals mitnehmen können und hoffentlich auch tourmäßig ein paar Möglichkeiten bekommen.
Und das mit diesem 2-Jahreszyklus war eigentlich nicht so geplant und soll sich eigentlich auch ändern in Zukunft. Im Endeffekt ist uns nach Northern Rage gut ein Jahr flöten gegangen, als der Bunker, in dem wir unseren Proberaum hatten und uns gerade ein Studio zurechtgebaut hatten, verkauft wurde und dadurch erstmal ein paar tausend Euro „abhanden gekommen sind“.

Bisher war immer Kai Hansen als Produzent tätig. Werdet ihr weiterhin seine Dienste in Anspruch nehmen?

Das Livealbum war das erste, was Falko und ich komplett alleine gemixt haben, und ich denke, das hat auch ganz gut funktioniert. Wie das jetzt beim nächsten Album aussehen wird, weiß ich noch nicht, aber wahrscheinlich werden wir so gut wie alles bei uns im Studio machen und Kai, wenn er Zeit hat, dann spätestens zum Mix dazuholen. Kann aber auch sein, dass wir zum Gesangaufnehmen schon zu Kai rübergehen, da er da als Produzent natürlich noch ein paar Ideen mitzubeitragen kann. Das muß man aber dann alles mal sehen; erstmal müssen wir die Songs an sich fertigstellen.

Man könnte die Frage provokanterweise noch etwas weiter führen: Kai Hansen produziert euer Material, taucht als Gastsänger auf euren Alben auf; nebenbei ist ein Helloween-Cover-Artist (Uwe Karczewski) für das Cover zuständig und böse Zungen behaupten, Stormwarrior seien eine Helloween-Kopie zu Zeiten von „Walls Of Jericho“. Nervt euch das nicht, oder seid ihr eher stolz darauf, als Erben dieser einst großartigen Band zu gelten?

Ich denke, das nächste Album wird um einiges eigenständiger ausfallen als das bisherige Material, allerdings auch nur in soweit, dass die Wurzeln von uns immer noch deutlich raushörbar sein werden. Ansonsten aber hab ich überhaupt kein Problem damit, wenn jemand sagt, wir führen die „Walls of Jericho“ weiter. Im Gegenteil: da es jahrelang nur Bands gab, die, wenn sie von Helloween inspiriert waren, wie schlechte „Keeper“-Clones klangen, und das keiner von uns behauptet, ist doch alles in Ordnung. Jede Band hat ihre Wurzeln und Einflüsse, das war schon immer so, und schließlich war die „Walls“ um Längen besser als die „Keeper“-Sachen...

Eine weitere großartige Band sind eure Label-Mates von Paragon. Gibt es Kontakt zueinander? Wie wäre es mal mit einer gemeinsamen Tour, um die guten „Walls Of Jericho“-Zeiten aufleben zu lassen? Vielleicht sogar im Vorprogramm von Gamma Ray?

Ich weiß zwar jetzt nicht so wirklich, was Paragon mit dem „Walls“-Sound zu tun haben sollen, aber naja...
Klar kennen wir uns, man läuft sich ja in Hamburg sozusagen ständig übern Weg. Nee, sind gute Kumpels von uns und nette Typen, aber ich würde nun nicht sagen, dass sie irgendwie alte Helloween-Roots haben. [Vielleicht war die Frage etwas missverständlich ausgedrückt, aber den Einfluß Helloween´s auf Paragon zumindest in alten Tagen wird wohl niemand leugnen können! - mm]

Gehen wir mal zurück zu euren „früheren“ Alben. Thematisch dreht sich das meiste um nordische Mythologie. Wer von euch ist der Mythologie-Besessene und woher kommt dieses Interesse?

Ich beschäftige mich von uns wohl am meisten damit. Woher das jetzt genau rührt, weiß ich auch nicht genau. Ist wahrscheinlich so’n Ding von Heimatgeschichtsinterresse (?). Hab halt auch dänischen und schwedischen „Einfluß“ in der Familie, und ausserdem war Norddeutschland ja mal dänisch (ist es für mich auch immer noch (lacht)...) Naja, ich habe mir irgendwann nach der Schule halt auch eine Zeit lang Skandinavistik an der Uni reingezogen, woraus dann auch „Northern Rage“ entstanden ist.

Habt ihr keine Angst, mit dieser Thematik und Symbolik in eine Ecke gedrängt zu werden, in die ein echter Metaller keinesfalls gestellt werden will? In Zeiten, in denen die Metal-Szene immer mehr von irgendwelchen braunen Vollpfosten unterwandert wird, muss dieses Thema einfach immer wieder angesprochen werden.

Kann ich doch nichts für, wenn Rechte auch über dieses Thema singen. Das Thema bzw. das Gefühl, sich im Norden heimisch zu fühlen, hat ja nun nix mit irgendeiner politischen Einstellung zu tun. Dann wäre Torfrock ja auch ne Faschokombo! Und ich höre mit Sicherheit nicht auf, über etwas zu schreiben, nur weil irgendjemand dies auch tut, nur mit unterschiedlicher Auslegung bzw. anderer Interpretation. Das wäre dann ja auch wieder Zensur, und das könnte ein echter Metaller nun auch nicht auf sich sitzen lassen!

Was mir an euren Texten immer wieder auffällt, ist eure Eigenart, den Wörtern meist ein „E“ anzuhängen (Northwinde, Deathe, Warlorde etc.). Gibt’s dafür einen bestimmten Grund?

Alte englische Schreibweisen. Für mich verleiht dies den Worten noch mehr Aussage bzw. unterstreicht diese. Die Texte bekommen dadurch einen etwas „älteren“ oder „altertümlichen“ Charakter, und das passt ganz gut zu den lyrischen Themen, denen wir uns zuwenden.

Kommen wir mal auf die aktuelle Besetzung zu sprechen. Ihr habt seit „Northern Rage“ mit David Wiczorek einen neuen, verdammt fähigen Gitarristen. Ansonsten gab es meines Wissens zumindest seit der EP „Heavy Metal Fire“ keinen Besetzungswechsel. Warum hat ex-Klampfer Scott Bölter die Band verlassen? Besteht weiterhin Kontakt zu ihm?

Also, David kam bei der Heavy Metal Fire EP dazu, weil das mit Scott einfach nicht mehr funktioniert hatte. Das waren damals verschiedene Gründe, die ich jetzt auch nicht mehr aufwühlen möchte. Kontakt gibt’s zu Scott auch keinen mehr. Nach der „Northern Rage“ kam irgendwann Alex dazu und ich hab einen Zeit lang nur das Mikro gehalten (so auch in Japan...). Mittlerweile hat David allerdings die Band wieder verlassen. Da gab es aber keinen Streit oder irgendwelche Ungereimtheiten, er hat für sich entschieden, sich voll uns ganz dem Studium zu widmen, und das gilt es zu respektieren. Mit David haben wir allerdings noch sehr guten Kontakt. Man sieht sich zwar nicht mehr so oft wie früher, aber man läuft sich immer noch über den Weg wenn Zeit ist.
D.h. in der aktuellen Besetzung spiele ich jetzt wieder Gitarre, und ich hoffe, Line-Up-technisch ist jetzt erst mal wieder Ruhe (lacht)!

Wie sieht’s mit der Freundschaft innerhalb der Band aus? Trefft ihr euch nur zum Proben und für Auftritte, oder sauft ihr auch öfter mal einen zusammen, bzw. geht zusammen zu Konzerten/Festivals?

Letzteres. Die Band ist mittlerweile zu einer richtigen starken Einheit gewachsen. Klar hat jeder noch so seinen anderen Teil vom Leben ausserhalb der Band, aber ich für meinen Teil kann z.B. sagen, dass Stormwarrior zu meinem Lebensinhalt geworden ist. Der Rest der Band sind vielleicht nicht die einzigen, aber zumindest die besten Freundschaften, die ich habe. Mit Falko zusammen betreibe ich z.B. ein kleines Studio nebenbei, da sieht man sich eigentlich fast täglich. Das würde nicht funktionieren, wenn man nur zusammen arbeiten würde...
Also nach über sieben bzw. fast acht Jahren Stormwarrior kann ich nun ruhigen Gewissens behaupten, dass zum ersten Mal in der Bandgeschichte ein Line-Up mit Familiencharakter am Start ist.

Welches Festival hat euch dieses Jahr am meisten beeindruckt?

Kann ich leider nichts zu sagen, da ich dieses Jahr hier aus dem Studio nicht rausgekommen bin.

So, bevor wir zum Schluss kommen, würde ich euch bitten, zu den folgenden Themen noch ein paar Sätze zu sagen:

- Heavy Metal und Klischees


Pflicht!

- Metal-Lifestyle und Kutte

Keine Pflicht, aber Kür!!!

- Nu-Metal und Metalcore

Überflüssige Scheiße

- Hamburg und Headbanger´s Ballroom

Heavy Metal-Hauptstadt, schon immer gewesen!

- Kai Hansen und Rock´n´Rolf

Hamburg’s Bürgermeister!

- Internet und Piraterie

Es sollten gerade in der Metalszene mehr Leute Pflicht- und Ehrgefühl besitzen und die Scheiben kaufen, statt zu kopieren, um auch den jüngeren Bands den Rücken zu stärken.

- Iron Maiden und „The Matter Of Life And Death“

(augenzwinkernd:) Wieder besser, aber der Bass ist immer noch zu laut!

- Die besten und schlechtesten Alben aller Zeiten

Das weißt du genauso gut wie ich, das lässt sich hier nicht alles auflisten, aber ein paar von meinen Faves sind auf jeden Fall Bathory – „Hammerheart“ / „Twilight of the Gods“, Judas Priest - alles außer die Owens Scheiben, Helloween – „Walls of Jericho“ (incl. „Judas”-Maxi, Mini-LP und Death Metal-Samplertrack), Running Wild – “Blazon Stone” (u.a.), Halford – “Resurrection”, Omen – “Battle Cry”, Manowar – “Kings of Metal”, WASP - “Crimson Idol” / “Still not black enough” / “Headless Children”/ “Last Command”, Ruthless – “Discipline of Steel”, Virgin Steele – “Noble Savage”...

Ja, und die schlechten Alben vergess ich eigentlich gleich wieder, lediglich „Pink Bubbles Go Ape“, „Chameleon“ und eigentlich alles, was dieser Deris dann je gesungen hat, sind mir in übelster Erinnerung geblieben...


Bevor ich euch die letzten Worte an unsere Leser überlasse, bedanke ich mich für das Interview und lechze auf ein neues Stormwarrior-Album! Keep the Heavy Metal Fire burning, guys!!!


Mok wie!!! Keine Sorgens... [Was auch immer das bedeuten mag! - mm]
-