Death Metal und Entseuchungsbranche


Interview mit Grave
Death Metal aus Schweden - Gotland
Wenn von einer schwedischen Death Metal Band, die ihren Zwanzigsten schon lange hinter sich hat, ein neues Album anno 2010 veröffentlicht wird, dann zählt zu den üblichen Verdächtigen auch GRAVE. "Burial Ground" schimpft sich ihr mittlerweile neuntes Studioalbum und das hat es in sich. Ronnie, seines Zeichens Drummer, erweist sich als so freundlich, der gediegenen Bloodchamber-Leserschaft ein Interview zu geben und etwas aus dem Nähkästchen zu plaudern.
Es liest sich ganz leicht, es gab nämlich zwei neugierige Fragesteller: Mi steht für den verehrten Michael Hahn, Ma für Señor Matthias Bock.

Ma & Mi: Hi! Erstmal danke, dass du dir Zeit fürs Interview genommen hast. Wie geht’s dir?


Hi, ist mir doch ein Vergnügen. Hier ist alles in Ordnung, ein bisschen müde bin ich, aber ansonsten super! Ich freue mich auf die Wochenend-Gigs in Tschechien und Deutschland und die Show beim Death Feast Open Air.

Ma & Mi: Wie verlief das Recording und die Vorarbeit zum Album? Wie lange braucht GRAVE, um ein neues Album aufzunehmen?

Die Vor-Produktion dauerte wesentlich länger als das eigentliche Aufnehmen. Wir haben an dem Album von Oktober letzten Jahres bis Mitte März geschrieben. Wir haben dann natürlich eine Pause eingelegt wegen der Tour mit NILE im November/Dezember; außerdem war ich zweieinhalb Wochen lang mit meiner anderen Band DEMONICAL im Februar auf Achse. Im Grunde haben wir uns vom 1. April bis Mitte Mai ins Studio eingeschlossen, also hat die ganze Aufnahme, das Mixing und Mastern ungefähr eineinhalb Monate gedauert. Beim letzten waren wir etwas schneller.

Ma: Welche Reaktionen auf das neue Album erwartet ihr?

Bis jetzt sind die Reaktionen gelinde gesagt überwältigend. Es gibt viele wirklich gute Reviews in den Medien und von Freunden, die es gehört haben, also sind wir momentan richtig abgedreht und wollen raus und die neuen Songs live für alle Fans der Welt zocken.

Ma: Was gefällt dir persönlich am meisten an „Burial Ground“?

Ich liebe den Sound bzw. die Produktion des Albums. Der Gitarrensound ist unglaublich hässlich und roh und die Drums klingen einfach wie Drums, und damit meine ich keine verdammten Trigger und solchen Scheiß! Einfach natürlich klingende Drums.
Von den Songs habe ich drei Favoriten... Der Opener „Liberation“, welcher auch der erste ist, den wir fertig gekriegt haben. Das ist n klassischer Grave Song mit all seinen Elementen darin. Die bleischweren Riffs, der Groove und die schnellen „skank beats“. Der zweite Song, den ich wirklich mag, ist „Dismembered Mind“, das ist eigentlich unser AUTOPSY-Song, hehe. Matti Kärki von DISMEMBER hat die Lyrics dazu geschrieben. Und mein dritter Favorit ist natürlich der Titeltrack, der Schlusstrack, „Burial Ground“. Der Song ist das epischste Teil, das wir je geschrieben haben... doomig, heavy und langsam von Anfang bis Ende und mit diesem eindringlichen mittleren Part. Ich liebe ihn!

Mi: Bislang hatten wir noch keine Möglichkeit uns lyrisch mit "Burial Ground" auseinanderzusetzen. Deshalb wollten wir fragen, worum es textlich auf diesem Album geht.

Naja, im Grunde geht es um dasselbe, wie immer. Es geht gegen Religionen, Korruption und solche Dinge. Ich meine, man schaue sich zum Beispiel mal den mittleren Osten mit der ganzen Scheiße, die dort vor sich geht, an. Es ist widerlich und basiert nur auf den Fehlern der Religionen!!

Ma: Das Cover Artwork sieht sehr old school aus. Kannst du uns etwas über den Hintergrund und den Künstler erzählen?

Es stammt vom gleichen Kerl, der auch das „Dominion VIII“ Cover gemacht hat, Costin Chioreanu von Twilight13 Media. Er ist einer der talentiertesten Künstler im Moment. Ich kenne seine Arbeit nun schon seit einigen Jahren, er hat immerhin auch alles für meine andere Band DEMONICAL gemacht, seit wir 2006 angefangen haben. Er hat auch das Cover für das letzte Album einer meiner früheren Bands, CENTINEX, gemacht. Wir haben ihm einfach eine Email geschrieben und gefragt, ob er auch dieses Mal interessiert wäre und er gab uns ein paar Tage später einen Vorschlag und das war auch die Version, die jetzt das Cover ist! Er ist einfach der Beste.

Mi: Steht das Cover in irgendeinem Zusammenhang mit den Inhalten eurer Texte?

Nicht wirklich... Das Cover war schon fertig, bevor der Albumtitel stand. Soviel ich weiß, zumindest, hahaha...

Ma: „Burial Ground“ ist jetzt das zweite Album mit dir als Drummer. Wenn ein Fan will, dass du ihm eines der alten GRAVE Alben signierst, tust du sowas dann?

Ich mach das so: Ich signiere nie, bevor ich gefragt habe, ob sie das wirklich so wollen. Ich sage ihnen (wenn sie es nicht schon wissen), dass ich auf dem Album/den Alben nicht mitspiele und wenn sie dann nicht wollen, dass ich ein Autogramm gebe, tu ich das nicht. Wenn sie das trotzdem möchten, mach ich es natürlich!

Ma: Seit Jonas die Band vor ein paar Jahren verlassen hat, ist Ola der einzige Gitarrist. Habt ihr im Studio Hilfe an den Gitarren gekriegt und macht ihr künftig auch zu dritt weiter?

Ola hat alles eingespielt mit Ausnahme einiger Soli, die unser Session-Gitarrist Magnus Martinsson eingespielt hat. Magnus wird sich uns auch auf Tour und einzelnen Gigs anschließen; genau wie er es in den letzten zwei Jahren gemacht hat.

Ma: Was können wir in naher Zukunft erwarten?

Hoffentlich viele Touren diesen Herbst und Winter, um das Album zu promoten, außerdem haben wir ein paar besondere Sachen für die nächste Festival-Saison geplant. Das wird richtig geil!

Ma: Im letzten Interview mit uns hast du gesagt, dass ihr sogar draufzahlen müsst, wenn ihr auf Tour geht – woher habt ihr die Motivation trotzdem der Musik so treu zu bleiben?

Naja manchmal passiert das, aber es kommt drauf an wo man tourt, vielleicht habe ich mich da auch etwas unklar ausgedrückt... Wir zahlen beim Touren nicht drauf, aber wenn man zum Beispiel in den USA tourt, hat man andere Bedingungen als bei einer Tour in Europa, weil man als Band für den Tourbus zahlen muss, den Sprit, Fahrerkosten, alles... also besteht die Möglichkeit, dass man da drüben Geld liegen lässt. Das meine ich.
Und woher die Motivation kommt – ich glaube, weil ich die Möglichkeit habe, etwas zu tun, was ich wirklich liebe, Musik machen. Soll ich lieber zuhause sitzen, fünf, sechs Tage die Woche in eine beschissene Arbeit gehen, ein oder zwei Tage in der Woche mich betrinken und dann wieder zurück ins Büro oder sonst wo arbeiten gehen? Kannst du knicken!!! Ich gehe lieber raus, unterhalte die Leute und verbreite gute Musik, trinke ein paar Bier und treffe coole Leute; dazu kommt, dass ich die ganze Welt umsonst bereisen kann. Das ist Motivation genug für mich!

Mi: Auf dem Party-San 2007 (Ja, ich weiß, das ist ein bisschen her) habt ihr eine exklusive Old-School-Show gegeben, in der ihr nur Material eurer ersten drei Alben zum Besten gegeben habt. Wie kam es dazu? Wird man so was in Deutschland wieder zu sehen bekommen?

Das wäre durchaus möglich. Schauen wir mal, was sich nächstes Jahr da so richten lässt, hehe.. ;-) Warum wir das damals gemacht haben... Ach, weiß ich nicht mehr genau, ich denke mal, dass wir unseren deutschen Freunden und Fans von überall her etwas besonderes präsentieren wollten.. Wir wissen, dass die meisten Fans von uns unseren alten Kram am liebsten hören, also wieso sollten wir ihnen diesen Gefallen nicht auch tun? Mir hat die Show wirklich Spaß gemacht und würde so etwas gerne noch mal machen, keine Frage.
 
Mi: In eurer Laufbahn habt ihr schon viele Gigs gegeben. Gibt es da Schlüsselmomente? Was war denn beispielsweise euer bester, welcher euer beschissenster Gig?

Da ich mich nicht an jede Show im einzelnen erinnern kann, lässt sich diese Frage nur schwer beantworten, wobei ich doch an eine Show auf der Tour mit IMMOLATION 2007 denken muss. Wir spielten in einer Stadt in Frankreich namens Nancy, wo ich richtig heftige Probleme mit den Triggern für die Bassdrums hatte. Keine Ahnung, warum wir überhaupt Trigger hatten, ich hasse die Dinger nämlich.. Ich glaube aber, der Soundtechniker von diesem Abend wird wissen, warum es die gab. Aber für mich persönlich lief das richtig beschissen. Dann gab es noch ein paar scheiß Gigs in Schweden, ein paar beschissene in den USA 2006 mit DISMEMBER und VITAL REMAINS, und es gab noch ein paar mehr. Nun mal zu den besten... hm... Auf der ersten Tour mit NILE im September 2008 haben wir auf dem Balkan, Rumänien, Serbien, Ungarn und Bulgarien ein paar geile Gigs gespielt. Und natürlich auf dem Wacken Open Air 2008. Das sind wahrhaft Erinnerungen fürs Leben!

Ma: Hättest du mal wieder Bock auf so ne riesige Tour wie die „Masters Of Death“ (2006 mit GRAVE, DISMEMBER, UNLEASHED, ENTOMBED)?

Ich würde da sehr gerne wieder mitmachen, aber ich glaube leider, dass so etwas nicht wieder zustande kommt. Diese Tour war etwas absolut einmaliges, aber vielleicht gibt es nochmal so etwas in der Art. Falls ja, wäre ich der erste der zusagt!

Ma: Ich habe mir die letzte DVD von DISMEMBER angesehen und da gibt es einige lustige Szenen hinter den Kulissen bei der „Masters Of Death“. An was für lustige Sachen kannst du dich erinnern?

Ach, da gibt’s so viel, aber natürlich die ganzen Partys im Bus von uns und DISMEMBER, hehe. Wir hatten zwei Busse dabei, wir und DISMEMBER haben uns einen geteilt und ENTOMBED und UNLEASHED haben sich einen geteilt, aber unserer war vom ersten Tag an DER Party-Bus! Lustig war auch der Gig in Mailand in Italien. Da war ein Haufen Freunde von uns, die extra hingereist waren, um die Show zu sehen und irgendein Fußballspiel. In London gab es auch einen klasse Abend und auf jeden Fall als ich Pete Sandoval beim La Locomotive in Paris die Hand gereicht habe. Das war für mich als Drummer ein großer Moment. Ein paar von uns haben auch das KZ Dachau besucht und das ist etwas, was heutzutage viele Leute tun sollten. Einfach nur die Atmosphäre zu spüren, die Baracken und Gaskammern zu sehen etc. ist etwas, das man einfach nicht vergisst, völlig unmöglich. Das war einer der emotionalsten Momente meines Lebens.

Mi.: Ihr seid inzwischen schon lange dabei und echte Experten, was Death Metal angeht. Dieser hat sich im Laufe der letzten Dekaden ja doch stark weiter entwickelt. Wie habt ihr die Entwicklung des Death Metals bislang empfunden?

Ich finde es irgendwie schon ein bisschen traurig, wie sich der Death Metal entwickelt hat, da es für mich so rüberkommt, als ob alle neuen Bands in irgendeinem komischen Wettkampf stünden, in dem es nur darum geht, wer der schnellste Drummer, Gitarrist oder Bassist ist... Wo sind die Songs, wo sind die unvergesslichen Riffs?? Ich höre sie mir einfach nicht an, wobei genau diese eben "modernen" Death Metal spielen und das ist, finde ich, einfach nur traurig. Richtig traurig. Technische Fertigkeiten sind in den Vordergrund getreten und deshalb wird am Songwriting etwas stark zurückgeschraubt. Es gibt ein paar Bands, die es noch schaffen technische Skills und gutes Songwriting zu paaren.. NILE und IMMOLATION kommen mir da spontan in den Sinn, aber andere Bands in diesem Stil… nö.. Dieser Stil gibt mir nichts!
 
Mi: GRAVE steht für Groove und Old School Death Metal. Wie steht ihr zu technischem Gefrickel und brutalen Blasts?

Ich bin von solchen Drummern beeindruckt, die diese pfeilschnellen Blasts und Doublebass in einer Geschwindigkeit von 273bpm spielen, aber für mich ist das nichts. Wie ich zuvor schon gesagt habe, bleibt das Songwriting bei diesen Bands oft auf der Strecke, nur um im Endeffekt so viele Noten, wie möglich, hintereinander zu packen...
 
Mi: Welche Bedeutung hat der Death Metal für euch und euer Leben?

Nichts mehr, als eine Musikrichtung, die ich echt gerne spiele... Aber ich selbst bin nicht der Typ für Death Metal, ich selbst stecke mich eher in die Heavy/Power Metal-Ecke. Demnach ist Death Metal nur eine Musikrichtung für mich.. Nicht mehr...
 
Mi: Welche Bedeutung messt ihr den Worten „Tod„ und „Grab„ bei?

Die letzte Ruhestätte, Stille und Entspannung.

Ma: GRAVE besteht jetzt seit über 20 Jahren... wann sagt ihr, es ist genug, wann kommt der Zeitpunkt, da ein Metal-Musiker das Rentenalter erreicht?

Wenn der Spaß daran weg ist. Wenn man spürt, dass es schöner ist, in seinem Haus mit seinem Hund oder seiner Katze rumzuhocken etc. Und natürlich, wenn dein Körper nicht mehr kann! Ich meine, schau dir Ozzy an, Lemmy, die IRON MAIDEN Jungs, die ROLLING STONES... die sind immer noch voll dabei und ich wette es liegt daran, dass sie immer noch Spaß an dem haben, was sie tun!

Mi.: Was war anno 1986, zu Zeiten von CORPSE (Vorgängerband von GRAVE), für euch der Auslöser Death Metal zu spielen?

Um ehrlich zu sein hatte ich zu dieser Zeit kaum etwas mit derartiger Musik am Hut. Das erste, was ich so an brutaler Musik gehört habe, waren SEPULTUTA um etwa ’89/’90 und ich habe die echt gehasst!! Das war keine Musik für meine Ohren, das waren irgendwelche schreienden Idioten, die dazu auf ihrem Schlagzeug rumgedrescht haben.. Und nur ein paar Jahre später hat mich die Musik echt gefesselt und ich fing an nach anderen Bands in diesem Genre zu suchen. "DEATH" und "MORBID ANGEL" waren zwei Bands, die mir, kurz nachdem ich sie entdeckte, echt umhauten...
 
Mi: Im Hinblick auf eure Diskografie: Habt ihr ein spezielles Lieblings-Album von euch? Wenn ja: Welches?

Für mich gehören dazu "Into the Grave", "Fiendish Regression" und das neue Album, "Burial Ground"... Diese Alben stehen für unterschiedliche Zeitabschnitte der Band GRAVE. Der Anfang, wo wir mit der Band durchgestartet sind, wo wir voller Heißhunger waren... Ein neuer Start mit Pelle am Schlagzeug, eine aggressivere Band mit mehr Energie. Und dann, mit "Burial Ground", die Zukunft von GRAVE, die ich mir als Mix der anderen beiden Alben, die ich erwähnt habe, vorstelle.

Ma: Ola hat ein kleines Nebenprojekt ins Leben gerufen. Schon mal reingehört?

Ja klar, das Zeug ist mördermäßig! Wirklich guter, fast schon progressiver Black Metal. Es geht in die Richtung der heutigen SATYRICON und CRAFT! Falls ihr von CRAFT noch nichts gehört habt, empfehle ich euch allen wirklich mal reinzuhören. „Fuck The Universe“ ist ein Meisterwerk.

Mi: Was macht euch als Band einzigartig?

Wir haben nie damit aufgehört, unserem Sound treu zu sein und das ist etwas, was GRAVE schon lange vor meinem Einstieg getan haben. Es gibt keine Band, die wie wir klingt. Es ist wie bei BOLT THROWER, OBITUARY, IMMOLATION, DISMEMBER: Keine Band klingt wie die andere und das macht sie einzigartig.. Und so ist es auch bei GRAVE.
 
Mi: Als Band macht ihr schon ne ganze Weile erfolgreich Musik. Reicht das eigentlich, um euch über die Runden zu bringen? Wenn nicht, womit verdient ihr so euer täglich Brot?

Es würde fast reichen, wenn wir öfters touren und weniger Zeit für unsere Jobs investieren würden. Aber bei den Plattenverkäufen verdienen wir kaum etwas und wenn wir keine Konzerte spielen, bekommen wir auch nichts. Es ist also mehr so ein Muphys Gesetz-Ding... Ola und ich haben denselben Job: wenn es irgendwo einen Brand, ein Wasserleck oder einen Mord gegeben hat, entseuchen wir diesen Bereich.. Wir sind die ersten, die den Dreck wegmachen müssen. Ein echter Metal-Job, hahaha..
 
Ma & Mi: Das wars von uns soweit, noch mal vielen Dank, dass du dir Zeit für unsere Fragen genommen hast. Zu guter Letzt gehören die letzten Zeilen dir!

Es hat mir Spaß gemacht! Meine letzten Worte... Nun, ihr müsst euch natürlich unser neues Album "Burial Ground" reinziehen, das über Regain Records am 14. Juni. veröffentlicht wird. Haltet euch auf dem laufenden über kommende Shows und yeah... Cheers!!!

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